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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Augen, der sein Gesicht zu Grim vorschob und leise flüsterte: »Du hast die Welt noch nicht brennen sehen, mein Freund. Doch dieser Tag wird kommen — wie die Feuer der Letzten Stunde, die Feuer, die du legen wirst.«
    Grim fuhr zurück und stand nun wieder dem Fuchs gegenüber. Ärgerlich ballte er die Klauen. »Was soll das?«, grollte er. »Warum erzählst du mir das?«
    Der Fuchs erhob sich und trat einige Schritte auf ihn zu, bis sie wieder dieselbe Entfernung trennte wie zuvor. »Ich warne dich«, wiederholte er kaum hörbar. Auf einmal ging sein Atem rascher, als säße ihm eine namenlose Furcht im Nacken. »Die Flamme des Prometheus ist eine gewaltige Macht. Du musst sie in dich aufnehmen, um sie von hier fortschaffen zu können. Du kannst sie in dir versiegeln, aber eines Tages ... Ich sage dir: Eines Tages wirst du ihre Macht nutzen, und dann kann weder Himmel noch Hölle dich vor dem retten, der du werden sollst.«
    Grim wandte sich ab und betrachtete die weiße Flamme. Eine Flamme war es, nichts weiter, eine Flamme, die sich nicht wesentlich von den Feuern unterschied, die er aus sich selbst geboren hatte, und dennoch ... Die Worte des Fuchses jagten ihm einen Schauer über den Rücken. Er holte tief Atem.
    »Ich bin ein Kind des Feuers«, sagte er, und es erschien ihm in diesem Moment, als hätte er diese Worte noch nie zuvor auf diese Weise ausgesprochen. »Und ich werde mich nicht verführen lassen.«
    Mit diesen Worten trat er vor, und ehe der Fuchs noch etwas hätte sagen können, griff er nach der Flamme. Im ersten Moment spürte er nichts als ein scharfes Brennen, als sich das Feuer in seine Haut fraß, und er hörte die Stimme des Fuchses neben seinem Ohr.
    »Der Tag deiner Bestimmung wird kommen«, flüsterte Rhu. »Warte, mein einsamer Freund. Warte nur.«
    Grim wandte sich zu dem Fuchs um — doch dieser war verschwunden. Im nächsten Augenblick war alles Schmerz. Er spürte, wie seine Eingeweide von tausend flammenden Zungen zerfetzt wurden, fühlte die Funken, die zischend und brennend seine Adern durchsiebten, und glaubte, seine Knochen würden in der Glut zu Asche verbrennen. Dann ließ der Schmerz nach. Grim wollte Atem holen und merkte zu seinem Schrecken, dass er seinen Körper verlassen hatte. Reglos lag sein Leib unter ihm in dem rußgeschwärzten Zimmer, das Licht der Flamme flackerte aus Rissen in seiner Haut, seine Augen lagen in tiefen Schatten wie in einem Totenschädel.
    Mit einem Geräusch, das wie ein ausgelassenes Lachen klang, stob das Feuer auf Grim zu, hüllte ihn vollständig ein und bildete einen neuen, flammenden Körper um ihn herum. Er spürte das Lachen des Feuers in seiner Lunge, es ließ seinen Körper zucken und tanzen, bis er selbst lachte, laut und dröhnend. Noch nie hatte er sich so befreit gefühlt, so angefüllt mit Licht und Wärme. Ausgelassen breitete er seine flammenden Schwingen aus, riss die Arme über den Kopf und stob durch das Dach des Turms, als bestünde es aus Papier. Er wollte Farben sehen, einen goldenen Himmel über blauer und purpurfarbener Erde. Mit diesem Gedanken raste er über die Dächer der Häuser, streckte die Klauen aus und griff nach dem Schleier aus Ruß, der sich zwischen seinen Fingern anfühlte, als wäre er nichts als ein riesiges schwarzes Tuch. Mit einem Schrei stob Grim hoch in die Luft und riss den Schleier aus Dunkelheit von den Gebäuden der Stadt. Darunter lagen silberne Häuser, Türme aus schimmerndem Perlmutt und Straßen mit marmorweißen Pflastersteinen.
    Grim raste über die Wüste dahin, als der gewaltige Schleier in seinen Klauen zu Funken zerbarst, die zischend auf die schwarzen Dünen niederfielen und sie in Wasser verwandelten — schweres, grünes Wasser, das zu einem Meer aus Farben wurde. Tosend umspülten die Fluten die Stadt, die sich stolz im Licht der Sonne erhob, die jetzt durch die Wolken brach. Grim hob den Blick, um der Sonne ins Angesicht zu schauen — und erkannte, dass er selbst es war, der goldene Strahlen auf Meer und Stadt hinabschickte. Er war die Sonne.
    Er sah purpurfarbene Wälder am Horizont aufragen, Wiesen aus sattem Blau und Flüsse wie schillerndes Sternenlicht. Er dachte daran, wie gern er den Gesang von Vögeln hören würde, und im selben Moment flogen Aras wie bunte Juwelen über die Wellen des Meeres auf die Wälder zu. Er spürte wieder das Kribbeln in seiner Brust, das Glücksgefühl, das die Flamme des Prometheus in ihm entfacht hatte, und drehte einen irrwitzigen Looping.

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