Grim - Das Erbe des Lichts
mein Leben riskieren, um dein Feuer zu entfachen — damit du die nächstbeste Gelegenheit nutzt, um davonzulaufen — vor deiner Vergangenheit, vor bösen Alben, vor sonstiger Gefahr — wie Feiglinge es eben so machen.«
Das war eine ziemlich ungerechte Provokation, das wusste Grim, und er spürte Mias wütenden Blick und hörte Remis empört die Luft ausstoßen. Aber hier ging es um mehr als Gerechtigkeit. Hier ging es um ein Kind, das gerade erfahren hatte, dass es ein Held sein musste — und das lernen musste, dieser Rolle gerecht zu werden.
Carven biss die Zähne zusammen, dass Grim es knirschen hörte. »Ich bin weggelaufen, weil ich Angst hatte«, sagte der Junge mit fester Stimme. »Und die habe ich immer noch. Ich möchte dich mal sehen, wenn du auf einmal erfährst, dass du von einem Tag auf den anderen ein Krieger sein musst, einer von denen, die du bisher nur aus Büchern kennst und immer bewundert hast — obwohl du selbst bisher höchstens ... na ja, gegen ziemlich große Spinnen in Master Hortensius' Vorratskammer gekämpft hast.« Carven holte tief Luft. »Aber ich bin zurückgekommen, oder etwa nicht? Und wenn es wirklich so ist, dass ich der Einzige bin, der diese Kerle aufhalten kann, dann werde ich die Aufgabe annehmen. Genau das ist es nämlich, was Helden tun.« Er hielt kurz inne, streckte das Kinn vor und maß Grim mit einem prüfenden Blick. »Ich laufe nicht weg«, sagte er entschlossen. »Aber was ist mit dir?«
Grim unterdrückte das Lächeln, das sich auf seine Lippen stehlen wollte. Er erinnerte sich daran, wie Carven durch die Menschenmenge vor dem Jurys Inn gegangen war, den Kopf hocherhoben und den Blick auf Alvarhas gerichtet, seinen Feind. Der Junge hatte nicht ausgesehen wie ein Kind — in diesem Augenblick war er der Held gewesen, den sie brauchten. Grim schaute Carven an und erkannte erneut in diesem suchenden, neugierigen Blick die Bewunderung, die der Junge für ihn gefasst hatte und die er doch so gut es ging geheim zu halten suchte. Carven wollte kein Feigling sein, das spürte Grim, er wollte der Aufgabe gerecht werden, auch wenn er noch nicht ahnen konnte, was das für ihn bedeutete. Der Junge war noch ein Kind und von erschreckender Naivität, aber er besaß auch einen Willen, der in wildem Feuer aus seinen Augen loderte und Grim nicken ließ.
Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab, entfernte sich einige Schritte von der Gruppe und sprach gemeinsam mit Hortensius den Zauber. In knisterndem Funkenregen bildete sich vor ihm in der Luft ein goldenes Portal — ein Tor zur Götterwelt.
»Die Welt der Götter ist gefährlich«, sagte Hortensius angespannt, und Grim sah aus dem Augenwinkel, wie Mia besorgt näher kam.
»Ihr seht mich an, als würde die Hölle auf mich warten«, sagte er mit einem Lächeln. »Aber die habe ich schon kennengelernt, also besteht kein Grund zur Sorge. Eine Frage habe ich allerdings: Woher weiß ein Zwerg eigentlich, dass die Welt der höheren Magie gefährlich ist?«
Hortensius presste die Zähne aufeinander, dass Grim das Spiel seiner Muskeln an den Schläfen sehen konnte. »Das ist Allgemeinbildung«, erwiderte der Zwerg düster.
Grim hob die Brauen und nickte grinsend, dann wurde er wieder ernst. »Wir sollten keine Zeit verlieren mit sinnlosem Geschwätz. Nicht mehr lange, und die verfluchten Bastarde von vergoldeten Alben werden den Bann des Phoenix durchbrechen.« Er holte tief Atem und sah Mia an. Blass stand sie neben Theryon, aber in ihren Augen lag noch immer die Wut über ihren Streit, die ihn davon abhielt, sie zu berühren. »Schützt das Portal«, sagte er leise. »Ich bin bald zurück.«
Dann wandte er sich ab und tat den ersten Schritt. Die goldenen Lichter knisterten auf seiner Haut. Er spürte, wie ihre Energie in ihn eindrang, als wäre sein Körper nichts als eine Schicht aus Nebel. Warm fluteten sie seine Adern und verbanden sich mit seiner eigenen Magie, sodass er für einen Moment meinte, von innen heraus zu leuchten. Dann hatte er das Portal überwunden und fand sich in einem hellen, weißen Raum wieder, dessen Wände sich zu allen Seiten im Nirgendwo verloren.
Die Helligkeit tat seinen Augen weh, fast umgehend begannen sie zu tränen. Er wollte seinen Weg fortsetzen — und stieß mit dumpfem Geräusch gegen eine Wand. Tastend schob er die Klauen über die unsichtbare Mauer, die kaum wenige Fingerbreit von ihm entfernt lag und seinen Körper umschloss wie ein Kokon.
Gefangen.
Dieses Wort hallte in der
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