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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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trennte — den Menschen ebenso wie den Anderwesen. Die Schluchtenbewohner wussten, was es bedeutete, ausgeschlossen zu sein, einfach für das, was man war. Vielleicht begegneten sie Mia aus diesem Grund mit ihrer freundlichen Art und diesem Zwinkern in den Augen, als wollten sie sagen:
Für uns bist du schon jetzt ein Teil Ghrogonias, und warte nur — eines Tages werden auch die anderen das begreifen.
    Ein eisiger Windhauch fuhr Mia in den Nacken und ließ sie auf die Uhr sehen. Eigentlich hätte Grim schon längst da sein sollen. Er hatte darauf bestanden, sie nicht allein gehen zu lassen.
Die Flimmergassen sind gefährlich,
hatte er gesagt.
Solange der Mörder nicht gefasst ist, solltest du nicht allein an solche Orte gehen.
Mia musste lächeln, als sie an sein entschlossenes Gesicht dachte. Sie hatte zugestimmt, als Grim zwei Gargoyles als Leibwächter für ihre Mutter und Josi abgestellt hatte. Aber sie selbst war nicht hilflos. Sie gebot über Magie und hatte in den vergangenen Monaten ausgiebigen Unterricht bei Theryon, dem Feenkrieger, genossen. Nein, sie fürchtete sich nicht mehr als die Anderwesen vor dem Schrecken, der in der Oberwelt von Paris umging — schon gar nicht hier, in den steinernen Gassen Ghrogonias. Aber es gefiel ihr, wenn Grim besorgt um sie war, und außerdem kam es in den letzten Wochen selten genug vor, dass sie Zeit zusammen verbringen konnten. Daher hatte sie sich damit einverstanden erklärt, dass er sie begleitete. Seufzend zog sie die Schultern an. Der kalte Wind nahm zu, mit ungewöhnlicher Härte fuhr er ihr ins Gesicht.
    Vermutlich war Grim aufgehalten worden, wie so oft in letzter Zeit. Die Morde beschäftigten ihn Tag und Nacht, und obwohl Mia Verständnis dafür hatte, dass er sich so in seine Arbeit vertiefte, wünschte sie sich gerade jetzt, da ihr die Neuigkeit mit Jakob auf der Seele lag, die Zeit zurück, in der sie nur für sich da gewesen waren. Aber sie zweifelte nicht daran, dass Grim diesen verfluchten Mörder bald stellen würde, und bis dahin hatte sie selbst auch nicht gerade wenig zu tun. Ungeduldig schaute sie auf die Uhr. Langsam trübte sich das Licht der Laternen und zeigte die nahende Dämmerung an. Auch wenn sie sich vor den Flimmergassen nicht fürchtete, wusste sie doch, dass Kreaturen in der Anderwelt lauerten, die gerade zur Dämmerstunde gefährlich werden konnten. Sie durfte nicht länger warten. Schnell tippte sie eine Nachricht in ihren Pieper und verschickte sie an Grim, ehe sie sich von dem kalten Wind die Stufen der Station hinuntertreiben ließ.
    Die Menge empfing sie mit ihrer Wärme und ihren unzähligen Gerüchen, und sie ließ sich treiben, vorbei an Kaufmannsläden, Wirtshäusern und Alchemistenstuben, bis die Straße sich immer stärker verästelte und die abzweigenden Gassen dunkler wurden. Bald hatte sie den Trubel hinter sich gelassen und näherte sich den düsteren Bereichen der Flimmergassen.
    Die Häuser drängten sich dichter zusammen, und immer häufiger schoben sich Ghule, leichenfressende Untote, an ihr vorbei und warfen ihr verhangene Blicke zu. Mia spürte, wie sich Anspannung in ihren Nacken setzte. Lautlos ließ sie einen Eiszauber in ihr linkes Handgelenk wandern. Es war noch ein ganzes Stück bis zu dem Trödler, zu dem sie wollte, und nicht nur die Anzahl der unheimlichen Gestalten nahm zu, sondern auch der Wind, der wie ein lebendiges Wesen nach ihrem Haar griff und sie sich den Mantel enger um den Leib ziehen ließ.
    Da hörte sie Schritte hinter sich, und sie kamen nicht von den trägen, schwankenden Ghulen oder den Hexern, die wie Schatten an ihr vorüberglitten. Diese Schritte waren hell und klar, sie klangen durch die dumpfe Stille der Finsternis um sie herum wie Peitschenhiebe. Für einen Augenblick kam Mia der Gedanke, dass sie verfolgt wurde — und dass ihr Verfolger wollte, dass sie ihn hörte. Sie zwang sich dazu, nicht schneller zu werden, und verstärkte den Zauber in ihrer Hand. Wenn ein Anderwesen es wagte, sie anzugreifen, würde sie sich mit allem verteidigen, was sie hatte.
    Die Schritte wurden schneller, fast meinte sie, den Boden unter ihnen erzittern zu fühlen. Abrupt blieb sie stehen und wollte sich umdrehen, doch gerade in dem Moment griff ihr eine eiskalte Hand in den Nacken. Sie fuhr herum, schleuderte den Eiszauber — und traf nichts als den metallenen Sockel einer Laterne. Verwunderte Blicke streiften sie, als sie sich umsah. Die Schritte waren verstummt, aber noch immer spürte sie die

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