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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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eisige Berührung in ihrem Nacken. Oder war das nur der Wind gewesen? Aufgebracht wie ein angeschossenes Tier jaulte er in den Häuserecken und griff immer wieder nach ihrem Mantel. Mia sog langsam die Luft ein. Sie musste sich beruhigen. Grim machte sie noch vollkommen verrückt mit seinem Gerede von dem Mörder und den blutleeren Leichen, denen die Augen herausgerissen worden waren und deren Bilder sich bereits ihren festen Platz in Mias Gedanken gesucht hatten. Entschlossen setzte sie ihren Weg fort.
    Mehrere Hinterhöfe zweigten von der Gasse ab, und immer wieder meinte sie, im Augenwinkel eine Gestalt dort im Dunkeln stehen zu sehen, doch sie drehte sich nicht um. Erst als die Schritte wieder einsetzten, hielt sie inne. Die Schritte verstummten. Langsam wandte Mia sich um. Am Ende der Gasse, dort, wo schwankend einige Ghule entlangtaumelten, stand regungslos wie aus Wachs gegossen ein schwarz gekleideter Mann und schaute zu ihr herüber. Seine abgerissene Kleidung war über und über mit Staub bedeckt, als hätte er eine lange Reise durch unwegsames Gelände hinter sich gebracht, und seine Stiefel verfügten über silberne Absätze. Zunächst konnte sie sein Gesicht nicht genau erkennen, es war, als würde flirrender Nebel an ihm vorüberziehen, der sich nur langsam lichtete und schließlich den Blick freigab. Seine Haut war bleich wie die eines Toten, und sein Gesicht war ebenmäßig und von einer ungewöhnlichen herben Schönheit. Dennoch besaß er einen Makel: Ihm fehlte das linke Auge, an dessen Stelle ein schwarzer Edelstein prangte. Aber das alles sah Mia wie durch einen Schleier. Sie starrte auf sein gesundes Auge, das hell war wie ein geborstener Kristall oder Diamant und mit gleißender Schärfe auf ihrem Gesicht ruhte. Sie spürte, wie er klirrende Kälte nach ihr ausschickte. Für einen Augenblick schienen die Ghule sich nicht mehr zu bewegen, und selbst der Wind stand still — als hätte der Fremde ihm den Befehl dazu gegeben. Er sah sie an, durchdringend und suchend, und ein Lächeln trat auf seine Lippen, das sein Gesicht vollkommen machte. Mia fühlte, wie eine unsichtbare Hand über ihre Wange strich. Die Finger waren eiskalt und von einer Zärtlichkeit, die Mia schaudern ließ. Kaum merklich legte sich ein kühler Schatten auf ihre Lippen, glitt in ihren Mund und den Rachen hinab.
    Ein heftiger Schlag traf Mia an der Brust, sie stolperte rückwärts und konnte gerade noch die Entschuldigung des Gnoms auffangen, der betrunken aus einem der Wirtshäuser getaumelt war. Mia fuhr sich an die Wange, die Hand war verschwunden. Verwirrt wandte sie den Blick dem Fremden zu — doch er war nicht mehr da.
    »Mia!«
    Mit einem Schrei fuhr sie herum und schaute in Grims verwundertes Gesicht. Er stand in Menschengestalt vor ihr und hob die Brauen. »Was ist denn mit dir los?«
    Sie schaute zu der Stelle, an der sie den Fremden gesehen hatte. »Ich ...«, begann sie, aber dann wischte sie ihre Worte mit einer Handbewegung beiseite. Sie wollte Grim nicht noch mehr beunruhigen, als er es ohnehin schon war, zumal der seltsame Kerl vermutlich nichts anderes gewesen war als ein tückischer Dämon, der in ihr ein unschuldiges Opfer erkannt zu haben glaubte. Mit düsterer Miene biss sie sich auf die Lippe. Theryon hatte ihr Zauber gegen Dämonen beigebracht. Hätte der Kerl auch nur einen Schritt auf sie zugetan, hätte sie ihn bei lebendigem Leib geröstet. »Es ist nichts. Ich war nur in Gedanken.«
    Skeptisch sah Grim sie an. »Wir wollten uns an der Station treffen«, sagte er dann und legte einen Arm um sie, während sie die Gasse hinabgingen. »Du weißt, dass du nicht allein in solche Gegenden gehen solltest. Das ist zurzeit zu gefährlich.«
    Mia seufzte. »Ich habe auf dich gewartet, du warst nicht da. Ich wollte vor der Dämmerung wieder zurück sein. Warst du es nicht, der mich vor der Dämmerstunde gewarnt hat?« Grim öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Du machst dir unnötig Sorgen. Ich kann auf mich aufpassen. Glaubst du etwa, die Lehrstunden bei Theryon hätten gar nichts gebracht? Aber jetzt will ich dir etwas anderes erzählen.« Sie nahm seine Hand und berichtete von ihren Erlebnissen auf dem Friedhof.
    »Jakob ist zurück«, murmelte Grim nachdenklich. »Es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Sterblicher bei dem Wechsel zwischen den Welten das Gedächtnis verliert, aber Jakob war ein ausgezeichneter Magier. Er hätte sich schützen können.«
    Mia hob

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