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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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zu erschweren, und als endlich die Dunkelheit der Verliese vor ihnen auftauchte, spürte Mia ein Triumphgefühl in der Brust, wie sie es selten zuvor gefühlt hatte. Sie warf Jakob einen Blick zu, er lächelte — doch plötzlich wich jede Farbe aus seinem Gesicht. Abrupt blieb er stehen. Mia fuhr herum und sah noch, wie eine Gestalt sich aus der Finsternis der Verliese schob, die Faust vorstieß und Theryon mit unglaublicher Kraft gegen die Wand schleuderte. Im nächsten Moment lag ein mächtiger Eiszauber über dem Feenkrieger und machte ihn bewegungsunfähig. Atemlos wich Mia zurück. Sie wusste, wer da aus den Schatten auf sie zutrat, und doch entwich ihr ein Schrei des Schreckens, als sie Nahyd ins Gesicht schaute.
    »Habt ihr wirklich geglaubt«, zischte der Totensänger und näherte sich mit grausamer Langsamkeit, »dass ich euch gehen lasse, nachdem ich euer Blut gerochen und gekostet habe?« Er blieb vor Mia stehen und erhob sich lautlos ein Stück weit in die Luft. »Warum fliehst du vor mir?«, zischte er dicht an ihrem Mund. »Glaubst du etwa, dein Leben sei so wichtig, dass du es retten müsstest? Du bist ein Mensch, eine erbärmliche Kreatur, die keine Ahnung hat von den Finsternissen, die in ihrem eigenen Inneren darauf warten, die Welt zu verschlingen. Du glaubst mir nicht, das sehe ich in deinen Augen — du bist deinem Bruder nicht unähnlich. Aber ich habe es ihm bewiesen und jetzt werde ich es auch dir zeigen.«
    Da stieß Jakob einen Fluch aus, dunkel rollten die Worte über seine Lippen, und sein Gesicht verzerrte sich zu einer Fratze, dass Mia erschrak. Noch nie hatte sie Jakob so erlebt, so hasserfüllt und so verzweifelt, und sie spürte die Macht des Zaubers, den er Nahyd entgegenschleuderte, um ihm den Kopf vom Hals zu trennen. In rasender Geschwindigkeit schickte der Totensänger einen Bannzauber in Mias Körper, der sie zu Boden sinken ließ, fuhr herum und riss einen Spiegelschild vor seinen Körper, der den Zauber zurückwarf und Jakob mit voller Wucht vor die Brust traf. Mia schrie auf, als sie sah, wie sich die Magie in das Fleisch ihres Bruders fraß, doch Jakob wich kaum zurück. Er schloss die Augen, langsam wie bei einer Andacht, und breitete die Arme aus. Nahyd neigte den Kopf und trat näher, einen mächtigen Donnerzauber in der Faust. Mias Blick ruhte auf Jakob, der regungslos dastand — und dann mit einem geflüsterten Zauber pechschwarze Schatten auf seinem Körper entfachte. Wie Stürme aus Dunkelheit fegten sie über seine Glieder. Mia fühlte, wie der Bann über ihr flackerte, und als sie den Blick wandte und Nahyd ansah, erkannte sie die Anspannung in dessen Augen. Doch ehe sie diesen ungewohnten Ausdruck begreifen konnte, riss Jakob die Augen auf.
    Im selben Moment stieß Nahyd einen Schrei aus, so klar und schneidend, dass er den Zauber von Mias Körper fegte und ihr die Luft aus der Lunge presste. Doch sie spürte es kaum. Sie sah nur Jakob und seine Augen, die sich in zwei reglose Spiegel verwandelt hatten und Nahyd fixierten wie der Blick einer todbringenden Schlange, während schwarze Nebel den Körper ihres Bruders als tausend zuckende Leiber umwanden. Mit vor Entsetzen verzerrtem Gesicht wich Nahyd zurück, als Jakob auf ihn zukam, und Mia hielt den Atem an, als ihr Bruder in dieser fremden Gestalt den Totensänger an der Kehle packte und ihn in die Luft riss. Dunkel rollte Jakobs Stimme über seine Lippen. Sofort schossen die Schatten vor und rasten wie züngelnde Schlangen über Nahyds Körper hinweg. Zischend gruben sie ihre Zähne aus Finsternis in sein Fleisch, Mia konnte Jakob lachen hören, und sie spürte eine Macht in ihm, die ihr vor Entsetzen das Blut aus dem Kopf zog. Sie hätte Zorn erwartet, Trauer oder Hass am Ende seiner Dunkelheit, in die er geschleudert worden war — doch nun, da sie ihn seinem Erzfeind gegenübersah, fühlte sie, dass da nichts mehr war: Jakob fühlte in diesem Moment, da er Nahyd mit tödlichem Gift überzog, absolut
nichts.
    Kaum hatte Mia das gedacht, ging ein Zucken über Nahyds gerade noch schreckverzerrtes Gesicht — fast so, als hätte er nur auf diesen Gedanken gewartet. Er lächelte. Gleich darauf riss er das Maul auf und sang einen einzigen schrecklichen Ton — einen Ton so grausam und wunderschön zugleich, dass Mia meinte, er müsste sie auseinanderreißen. Sie sah, wie Jakob zurückgeschleudert wurde, wie sein Schattenzauber zerfetzt wurde wie ein Nebelstreif — und sie hörte das Bersten seiner Spiegelaugen in

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