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Grim - Das Erbe des Lichts

Grim - Das Erbe des Lichts

Titel: Grim - Das Erbe des Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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die Kälte in ihr zunahm. Grims Bild in den Augen des Totensängers veränderte sich. Auf einmal sah Mia nicht mehr Grim, ihren Freund und Geliebten, sondern Grim, den Gargoyle, Grim, den Hybriden — Grim, das Anderwesen, und als sein Gesicht verschwand, fühlte sie keinen Verlust, noch nicht einmal Sehnsucht. Wieder sah sie ihre Familie an ihrem Krankenbett, aber sie empfand nichts mehr bei ihrem Anblick. Eine dumpfe, fühllose Kälte hatte sie erfüllt, in der die Bilder ihres Lebens wie in einem endlosen Tunnel nebeneinander aufgereiht waren, ein Kabinett der Gefühle und Sehnsüchte ohne die Möglichkeit, diese zu empfinden — ein Reigen der Bedeutungslosigkeit. Und als sie sich unter dem Blätterdach der Eiche wiederfand, sah sie nichts mehr als flirrende Blätter im Sonnenlicht. Ja, sie sah das Licht — aber sie fühlte es nicht mehr.
    Diese Erkenntnis ließ sie so heftig zusammenfahren, dass jedes Bild in Nahyds Augen zerriss. Mit aller Macht spürte sie nun die Kälte, die der Totensänger ihr einpflanzte, um sie zu töten. Doch da schüttelte Nahyd den Kopf.
    »Nein«, flüsterte er kaum hörbar. »Ich bin es nicht, der dich frieren lässt. Es ist deine eigene Dunkelheit, die uns umgibt und dich erfüllt. Das ist alles, was euch bleibt, wenn euch das Licht genommen wird — das Erste Licht, das euch geschenkt wurde, das euch wie ein Stern erfüllt und an dem ihr euch festkrallt, ohne überhaupt von ihm zu wissen. Deswegen jagte ich deinen Bruder — er klammerte sich mit all seiner Kraft an dieses Licht, und das war reizvoll für jemanden wie mich, der es nie, niemals selbst besitzen wird, ganz gleich, wie viel er sich davon einverleibt: Denn es ist langweilig, jemandem etwas zu nehmen, wenn es ihm nichts ausmacht, es zu verlieren. Du bist wie er ...«
    Nahyd legte den Kopf schief, während das Licht aus Mias Körper pulste und sie unter der Kälte in ihrem Inneren anfing zu zittern. »Deine Bilder sind stark, viele Fesseln halten sie in dir verankert. Ich durchtrenne sie alle. Ich werde kein Licht in dir zurücklassen. Die meisten Menschen verstehen sich nicht darauf, ihr Licht festzuhalten und zu verteidigen. Sie lassen es sich rauben oder zerstören es selbst, als wäre es ein Hut oder ein Spielzeug. Sie ahnen nicht, was sie damit tun. Denn sie kennen die Leere und Dunkelheit nicht, die übrig bleibt, wenn sie das Licht in sich zerstören. Auch du glaubst, dass ich es wäre, der die Kälte in dich hineinschickt — doch du irrst dich. Diese Kälte — gehört nur dir.«
    Mia sah noch, wie ein Lächeln über seine Lippen zuckte. Dann flammte ein Bild in seinen Augen auf, das Antlitz eines Mädchens, das Mia erst auf den zweiten Blick erkannte. Keuchend sog sie die Luft ein, als sie sich selbst ins Gesicht schaute — doch es war nicht mehr ihr Gesicht, es war das Antlitz einer Fremden. Ihr Blick drang durch Haut, Fleisch, Blut, Knochen, stürzte in die Finsternis hinter den Augen dieses Mädchens, das sie mit seltsam leerem Blick anstarrte, sah sich selbst als Summe ihrer Teile, ein belangloses Zusammenspiel von elektrochemischen Prozessen in einem zufällig entstandenen Körperkonstrukt, fühllos, stumm und unfähig, mehr zu sehen als all das. Sie verlor den Boden unter den Füßen, fiel in die Dunkelheit bis auf den Grund ihres Ichs und fand — nichts mehr.
    »Für so ein Wesen lohnt es sich nicht zu kämpfen«, flüsterte Nahyd neben ihrem Ohr, aber es hätte irgendeine Stimme sein können. »Doch das ist alles, was ihr seid, wenn euch das Licht genommen wird. Du bist nicht anders als ich in diesem Punkt — aber wesentlich schwächer.«
    Mia zwang sich, Nahyd anzusehen — sein lächelndes, eiskaltes Kindergesicht, seinen gierig verzogenen Mund und seine Augen, die nichts spiegelten als das, was in ihr lag: tiefste Finsternis. Etwas schrie in ihr, sie wusste, dass sie es selbst war, doch ihre Stimme hallte dumpf in ihr wider wie in einem endlosen Korridor der Nacht. Sie spürte, wie ihre Lider schwer wurden, schwach flackerte das letzte Licht über Nahyds Hand. Vor ihrem geistigen Auge sah sie Jakob am Boden liegen, und es war, als würde seine Reglosigkeit ihre Gedanken umspielen und mit sich ziehen in schwarze Gewässer ohne Helligkeit.
Du bist schwach,
raunte eine Stimme von irgendwoher, und obwohl sie wusste, dass Alvarhas nicht wirklich da war, meinte sie, seinen Atem an ihrer Wange zu spüren.
Vielen habe ich bereits genommen, was du noch besitzt, und auch du wirst es verlieren — früher

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