Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
Vom Netzwerk:
Einsiedlerelf erklären lassen, dass man nur an den richtigen Stellen drücken musste, um einen Körper für eine Weile außer Gefecht zu setzen. Das war effektiver, leiser und reinlicher, als ihn zu töten, und daher galt seitdem der Codex in der OGP: betäuben statt töten. Das wirkte selbst bei Schwarzmagiern — sofern es gelang, sie zu überraschen.
    Lautlos folgten sie der Biegung eines schmalen Tunnels. Dann blieb Mourier stehen. Die Magie des Schutzwalls war nun so stark, dass sie Grim schmerzhafte Schauer über den Rücken schickte. Karphyr trat dicht an eine der Mauern heran. Angespannt sah Grim zu, wie er seine Pranken über den schmutzigen Steinen bewegte, bis sie anfingen, golden zu leuchten. Karphyr murmelte etwas. Dann tippte er mit dem Zeigefinger gegen die Wand — und schob sie auf, so mühelos, als wäre sie aus Pappe. Grim hob die Brauen. Dass Gargoyles Meister der Tarnung waren — das war ja klar. Aber Drachen? Die hockten auf ihren Schätzen und züchteten Zierkürbisse, zumindest hatte er das bisher geglaubt. Schweigend folgte er Karphyr und den anderen durch den Spalt in der Wand, der sich umgehend hinter ihnen schloss, und tappte eine Weile ziemlich hilflos durch einen sehr schmalen Gang. Immer wieder blieb er mit seinen Klauen an modrigen Felsen hängen, und seine Schwingen streiften die Wände, dass es nicht nur einmal ein widerliches Geräusch gab. Grim sog die Luft ein und bemühte sich vergebens, kleiner zu werden, als endlich Licht am Ende des Ganges auftauchte. Er kniff die Augen zusammen — und erstarrte.
    Er stand am Abgrund einer riesigen goldenen Höhle. Die mehrfach gefächerte Decke wurde von kunstvoll verzierten Säulen gehalten, und darunter lag eine gewaltige Stadt. Gebäude so prunkvoll wie Schlösser reihten sich aneinander, es gab Straßen, die an Stelle von Steinen mit Goldmünzen besetzt waren, und die Laternen, die allenthalben auf verlassenen Plätzen standen, spendeten durch funkelnde Kristalle ein rätselhaftes Licht.
    »Das ist ...«, begann Grim, doch ihm fehlten die Worte. Noch nie hatte er so viel Gold auf einem Haufen gesehen, und die Juwelen an den Fassaden der Gebäude ließen ihm den Mund offen stehen. Mourier sog neben ihm die Luft ein, als hätte ihm jemand heftig vor die Brust geschlagen, Kronk hatte einen verklärten Ausdruck im Gesicht, und Vraternius riss die Augen so weit auf, dass sie aussahen wie Teller. Grim bemerkte das Funkeln in Karphyrs Blick. Auf einmal schien der Drache innerlich zu leuchten, als hätte er eine Laterne verschluckt. Zum ersten Mal meinte Grim, die Weisheit der Drachen hinter seinen Brillengläsern zu erkennen — und ihre Tücke.
    »Ihr wisst, dass es früher noch mehr von meiner Sorte gab«, sagte Karphyr lächelnd. »Sie haben lange hier unten gelebt. Dann sind sie fortgegangen und haben ihre Stadt verschlossen. Die Gargoyles erlangten die Herrschaft in Ghrogonia, das weit über unseren Köpfen liegt: auf den goldenen Straßen der Drachenstadt Myriasund.«
    Grim schüttelte den Kopf. »Ich habe gedacht, sie sei eine Legende«, murmelte er und kam sich für einen Moment vor wie Mia, die zum ersten Mal vor ihm stand und ihn anschaute, als wäre er geradewegs einer albernen Phantasiegeschichte entsprungen. Nie würde er ihren Blick vergessen, das wusste er, und ein warmes Gefühl legte sich bei diesem Gedanken um seine Schultern.
    »Niemand weiß von ihr, niemand kennt ihre Pfade«, erwiderte Karphyr. »Es sei denn, er wäre ein Drache. Ich habe wie jeder andere meines Volkes geschworen, niemals von ihr zu sprechen. Aber ich habe euch hergeführt — weil es der einzige Weg ist, Ghrogonia zu retten.«
    Mit diesen Worten ließ er sich auf seinen winzigen Flügeln abwärtsgleiten. Er trudelte auf die Straßen zu, dass Grim sich eines Lachens nicht enthalten konnte. Er selbst schwebte so hoheitsvoll wie möglich an den Fassaden der Schlösser hinab. Gefolgt von Mourier und den anderen glitten sie durch die prächtigen Straßen dieser verlorenen Stadt. Denn verloren war sie, das war eindeutig, obwohl es fast schien, als wären die Bewohner nur kurz fortgegangen, um bald wiederzukommen. Doch die Drachen kamen nicht zurück — auch wenn niemand wusste, wohin sie gegangen waren. Sie hatten etwas mit sich genommen, einen Zauber, den die Welt nie wieder erlangen würde, und ihre goldene Stadt war stummes Sinnbild für das, was Grim immer schon gewusst hatte: Alles änderte sich, und selten wurde es besser.
    Da hielt Karphyr inne. Schon

Weitere Kostenlose Bücher