Grim - Das Siegel des Feuers
beschissene Art zu sterben.«
Grim spürte sein Blut im ganzen Körper. Sie suchten den Mörder, das war klar. Aber wer waren sie? Kopfgeldjäger aus einer entfernten Provinz, die sich ein Zubrot vom König erhofften, wenn sie den Mörder fingen? Grim verzog das Gesicht. Da kannten sie Thoron aber schlecht. Der würde sie eher neben dem Gefangenen aufknüpfen lassen, als Kopfgeldjäger zu bezahlen. Oder war das eine neue Spezialeinheit, von der niemand wissen sollte? Von den seltsamen Umhängen her zu schließen könnte glatt Mourier seine Pranken im Spiel haben.
»Ich bin dafür, dass wir hier abhauen«, sagte gerade einer der beiden. »Wir haben das ganze verdammte Viertel abgegrast — nichts. Der Pate hat gesagt, wir sollen ihn suchen — und das haben wir getan.« Er schnaubte durch die Nase. »Vielleicht haben die anderen mehr gesehen.«
Erleichtert hörte Grim, wie sich die zwei in die Nacht warfen und verschwanden. Ein geisteskranker Mörder, zwei Hartide, die Eiszapfen nach ihm warfen, Moira, die sich mal eben mit einem Menschen anfreundete und ihm merkwürdige Freiengeschenke machte, und jetzt auch noch fremde Gargoyles in der Stadt, die sich in die Angelegenheiten der OGP einmischten — verdammt, er hatte die Schnauze voll. Und wer, zum Teufel, war der Pate? Mit finsterem Blick überlegte Grim, ob es möglich war, dass Mourier sich einen Künstlernamen zugelegt hatte, und kam zu seiner Ernüchterung zu dem Schluss, dass es möglich war. Aber das hätte er doch erfahren. Nein, der Pate musste jemand anderes sein. Doch wer? Diese Nacht wurde immer merkwürdiger. Vielleicht konnte Moira wenigstens ein paar seiner Fragen beantworten. Bald würde es dämmern, er hatte nicht mehr viel Zeit.
In zackigem Flug machte er sich auf zum Friedhof Pere Lachaise. Moira liebte die winkligen Gassen der Totenstadt, die hohen, uralten Bäume, die ihre Äste wie schützende Arme über die Gräber streckten, und die weinenden Engel aus Stein, stumme Kameraden in der Ewigkeit der Zeit. Schon von Weitem sah Grim das kleine Mausoleum, auf dessen Stufen sich Moira sinken ließ, jeden Morgen bei Sonnenaufgang. In seinem Kopf formulierte er die Sätze, mit denen er sie dazu bringen wollte, ihm die Wahrheit zu sagen, und landete siegessicher vor den Stufen des Grabmals. Sie war noch nicht da. Grim schritt auf und ab. Der Himmel im Osten färbte sich erst blau, dann violett, und schließlich leuchtete ein heller Kranz aus Sonnenstrahlen am Horizont. Unruhig erhob sich Grim noch einmal in die Luft, er kreiste wie ein Adler über den Pfaden des Friedhofes. Die Strahlen der Sonne brannten auf seiner Haut wie flammende Tücher, obwohl sie ihn noch nicht einmal berührten. Gerade hatte er beschlossen, in der Nacht wieder zu kommen, als er Moira entdeckte. Sie stand auf einer der höchsten Kapellen, den Blick der aufgehenden Sonne zugewandt, die Arme wie zum Flug erhoben.
Die Erkenntnis flutete Grim wie ein Strom aus eisigem Regen. Er stieß ein Brüllen aus, so laut, dass die Erde erzitterte, und stürzte sich vor. Sein Blick hing an Moira, schon kroch das Licht ihr entgegen, es warf sich wie flüssiges Gold auf die Wege des Friedhofs. Grim gelang es im letzten Moment, sich in den Eingang eines Mausoleums zu drücken. Voll Entsetzen sah er zu Moira auf, und sie erwiderte seinen Blick, ja, sie schaute ihn an. Ein Lächeln lag auf ihren Lippen, als sie die Worte sprach, die ihr ewiges Leben beenden würden, und sie hob die Hand zum Gruß. Noch einmal brüllte Grim, doch als sein Schrei Moira erreichte, hatte sich schon eine Steinschicht über ihren Körper gelegt. Ein letztes Mal flammten ihre Augen auf und schickten einen hellen Stern zum Himmel. Dann brach die Sonne durch die Wolken und legte sich auf die versteinerte Moira, die kein Leben mehr in sich trug.
Kapitel 8
ur Abwechslung hatte es aufgehört zu regnen. Dafür war der Nebel gekommen, zäh und geisterhaft kroch er durch die Gassen und verwandelte jedes Geräusch in einen verzerrten Seufzer. Die Sonne war nichts als ein dumpfes Leuchten hinter dicken Wolken.
Mit angehaltenem Atem lief Mia hinter Jakob die Rue Buffon entlang. Den ganzen Tag über hatte sie sich Gedanken gemacht und kein Auge zugetan, obwohl Jakob ihr geraten hatte, noch etwas zu schlafen. Das, was er ihr zeigen wollte, würde ihre ganze Aufmerksamkeit brauchen. Dann hatte er geheimnisvoll gelächelt und geschwiegen. Am Nachmittag hatte er sie abgeholt, aus irgendeinem Grund mitsamt seiner Querflöte, und
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