Grim - Das Siegel des Feuers
zerstörten. Und jeder weiß, was passiert ist, als das Siegel auf Pandoras Büchse gebrochen wurde, ganz zu schweigen von Atlantis ...«
Da stieß Grim die Luft aus. »Atlantis!«, schnaubte er verächtlich. »Hast du noch mehr Legenden auf Lager? Niemand weiß, welches Geheimnis die Stadt hütete — oder ob tatsächlich ein Siegel des Feuers sie verschlang. Und Pandoras Büchse — ist das dein Ernst? Alberner Kobold! Das sind Märchen, Geschichten, nichts weiter. Dieses Siegel trägt mächtige Magie in sich, ja. Aber es bedeutet nur eines: dass jemand ein Geheimnis unbedingt für sich behalten will.«
Remis zog die Brauen zusammen. »Und wer?«
Grim seufzte. »Die Freien«, sagte er nur und glaubte, damit alles Nötige erklärt zu haben. Eine Weile war es still, und er dachte schon, damit recht zu behalten.
»Versteh ich nicht«, sagte Remis dann und entlockte Grim ein Stöhnen. »Freie? Wieso frei? Wer ist frei?«
Grim deutete auf das Siegel. »Der aufgehende Mond ist das Zeichen der Freien, Einfaltspinsel.«
Remis nickte, aber Grim sah genau, dass er immer noch nichts begriffen hatte. »Du meinst die Gargoyles, die ... also ...«, stammelte der Kobold und raubte ihm den letzten Nerv.
»Ganz genau«, murmelte er. »Ich meine die Verräter, die zu allen Zeiten — zu Zeiten der Kriege und auch nach dem Zauber des Vergessens — mit den Menschen paktiert haben. Sie wollten unser Volk auslöschen, um selbst mehr Macht zu bekommen. Wäre Thoron, unser König, nicht gewesen, wäre Pheradins Plänen nie ein Ende bereitet worden. Pheradin, dieser hinterhältige Höfling, der nur selbst auf den Thron wollte. Anführer der Freien, pah! Bastarde alle zusammen!«
Grim atmete aus. Er musste sich beruhigen. Gefühle waren nur eines: Mittel zum Zweck. Er musste endlich lernen, sich nicht von ihnen mitreißen zu lassen — wie es sich für einen Gargoyle gehörte. Immerhin war Remis endlich ein Licht aufgegangen.
»Ja«, sagte der Kobold, als hätte er es die ganze Zeit über gewusst. »Soweit ich weiß, wurde ihnen alle naselang eine Intrige gegen die Gargoyles unterstellt, und eines Tages wurden sie ...« Er machte eine schnelle Handbewegung vor seiner Kehle und ließ die Zunge aus dem Mund hängen.
»Getötet«, beendete Grim den Satz. »Ja. Heute existieren nur noch Legenden über sie.«
Nachdenklich betrachtete er das Siegel, in dessen Mitte Flammen glommen, die niemals erloschen. Remis stützte den Kopf auf beide Hände und deutete auf das Pergament. »Sieht ziemlich alt aus.«
Grim nickte. »Es
ist
alt. So um die sechshundert Jahre ...« Remis pfiff durch die Zähne. »Und was meinst du, was es damit auf sich hat?«
Grim legte die Klauen auf das Pergament. Es fühlte sich rau an wie die Haut eines uralten Wesens. »Das werden wir gleich wissen.« Gerade wollte er die Finger auf das Siegel legen, als Remis einen leisen Schrei ausstieß.
»Aber das Feuer!«, rief der Kobold aufgeregt. »Nur der, für den das Geheimnis bestimmt ist, darf das Siegel brechen! Und das bist ganz sicher nicht du! Willst du zerfallen wie das Reich der Maya? Du darfst das nicht tun! Briefgeheimnis und was nicht alles!«
Grim schnaufte verächtlich. »Du wirst einem Menschen von Tag zu Tag ähnlicher. Pass nur auf, eines Tages wachst du auf und hast kein einziges Haar mehr am Körper ... na ja, abgesehen von ein paar Büscheln an unbedeutenden Stellen.« Er grinste über Remis' Empörung. »Keine Sorge. Selbst wenn deine lächerlichen Koboldgeschichten wahr sein sollten — was ich definitiv bezweifle —, wird mich kein Fluch treffen oder die plötzliche Vernichtung. Es wird nicht einmal jemand etwas merken. Denn ich werde das Siegel lösen, ohne es zu brechen. Ob Siegel des Feuers oder nicht — es ist magisch, und mit Magie kenne ich mich schließlich aus.«
Leise murmelte er den Zauber, streckte die Hand nach dem Siegel aus — und verbrannte sich gewaltig die Finger. »Verflucht noch eins!« Fassungslos starrte er auf seine rußgeschwärzten Fingerkuppen und die feinen Rauchschwaden, die sich in die Nacht erhoben.
Remis kicherte, als hätte er selten etwas Lustigeres gesehen. »Du kennst dich also aus, was?«
Grim starrte auf das Siegel, das unversehrt auf dem Pergament prangte und jedes Geheimnis sicher darin verbarg. Er konnte es nicht lösen, ohne das Pergament zu beschädigen, so viel war ihm jetzt klar.
»Bring es zurück«, grollte er nach einer Weile. Remis öffnete den Mund, um etwas zu sagen, entschied sich dann
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