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Grim - Das Siegel des Feuers

Grim - Das Siegel des Feuers

Titel: Grim - Das Siegel des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Schreibkräfte werfen, die im großen Bau der Bürokratie ameisengleich hinter ihren Tischen hockten und eine staubtrockene Arbeit nach der anderen erledigen mussten, wollte eigentlich nicht einmal mit Mourier sprechen, aber das ließ sich wohl nicht vermeiden. Kaum hatte er das Innere der Basilika erreicht, umschwirrte ihn hektisches Stimmengewirr. Er stöhnte. Mochte sich die Welt ändern, wie sie wollte, eines blieb, wie es war: das emsige Gehetze von Mouriers Laufburschen, immer hektisch, immer unglaublich beschäftigt, ganz gleich, ob es viel zu tun gab oder wenig, ob schwierige Fälle zu lösen waren oder leichte, ob mittlere Katastrophen herrschten oder langweilige Routinen.
    Er glitt über die Köpfe einiger Stielaugen aus der Spurensicherung hinweg, hörte ihre zischenden Stimmen und sah die verächtlichen Blicke ebenso wie die neidischen.
Da staunt ihr, was?,
dachte er und lächelte böse.
So sieht es aus, wenn ein Gargoyle fliegen kann.
    Er erreichte eine riesige, steinerne Tür, hinter der Mouriers Büro lag. Auch sie hätte besser ausgesehen, wenn nicht Tag und Nacht die Lakaien des Löwen davorgestanden hätten. Grim verdrehte die Augen, als er sie sah, diese lächerlichen Pappkameraden mit den steinernen Stäbchen in der Hand, die wohl an Speere erinnern sollten. Zwei Greifen waren es dieses Mal, die Köpfe so hoch erhoben, dass sie permanent nichts anderes sahen als die schmutzige Decke. Als sie Grim entdeckten, sprang einer von ihnen vor.
    »Zutritt nur für Befugte«, kreischte er und flatterte mit den Flügeln.
    Mit müdem Lächeln kam Grim vor ihm zum Stehen und betrachtete ihn von oben bis unten. »Menschenhände haben nach deinem Marmor gegraben«, sagte er leise, aber so boshaft, dass der Greif augenblicklich das Flügelschlagen unterließ. »Und vielleicht sind es Menschen, die auf deine Worte hören.« Er trat vor und schaute dem Greif direkt in die Augen. »Doch ich bin ein Gargoyle, geschmiedet in den Festen eines Vulkans. Schattenflügler nennt man mich, ein Geist der Nacht, der nicht nur den Menschen Schrecken bringt. Und du trittst mir in den Weg?« Seine Stimme hallte an den Wänden der Höhle wider. Zu seiner Befriedigung sah er das Zittern der steinernen Greifenlider. Einen Augenblick stand Grim regungslos. Dann riss er den Kopf zurück und sah zu, wie der Greif vor Schreck zur Seite sprang. Ohne die Türsteher eines weiteren Blickes zu würdigen, schritt er durch das Portal.
    Im Vorzimmer hockte Krallas hinter einem riesigen Stapel Akten zur Aufklärung der Morde. Für einen Moment lächelte Grim. Also musste auch Mouriers Speichellecker Nummer eins sich an die Regel halten: Keine aktuellen Akten durften das Büro des Polizeipräsidenten verlassen. So hatte Mourier es vor einiger Zeit beschlossen, und da Krallas sich im Gegensatz zu Grim an diese Vorschrift zu halten schien, war er nun mit irgendeiner unsinnigen Abschrift beschäftigt und machte ein mürrisches Gesicht, als er Grim sah.
    Ohne ihn zu beachten, betrat Grim das Büro seines Vorgesetzten.
    Mourier saß auf seinem Thron, einem schwarzen Ungetüm von einem Felsen, und blätterte mit einer Kralle in den Berichten der vergangenen Nacht. Sein steinerner Schweif peitschte den Boden. Er langweilte sich. Grim trat vor und wartete, bis es Mourier gefiel, ihn zu bemerken.
    »Du kommst spät«, sagte der Löwe schließlich, ohne den Blick von den Papieren zu nehmen.
»Zu
spät. Wie oft muss ich dir sagen, dass ich jede Nacht euren Bericht erwarte?«
    Grim stieß lautlos die Luft aus.
Als wenn du nicht schon genug Berichte zu lesen hättest, alter Narr.
    »Ich war in einer Angelegenheit beschäftigt, die meine Anwesenheit erforderte«, sagte er stattdessen.
    Mourier hob den Kopf und schaute aus halb geschlossenen Augen auf Grim herab. Da sah man sie, die Ähnlichkeit zu jenen Gargoyles, die seit Urzeiten den Thron des Königs umlagerten und vergebens darauf hofften, jemals an seinem Glanz teilhaben zu können: diese Tränensäcke, diese immermüden, verquollenen Augen, diese lustlos herabhängenden Lefzen, die mehr an einen Bernhardiner erinnerten als an einen Löwen — Grim schüttelte es. Venedig fiel ihm ein mit seinen Löwen, den Blick gewetzt wie die Krallen, immer zum Sprung bereit — ja, eine solche Katze hätten sie in Paris gebraucht. Stattdessen saß dieser fettleibige Adelsspross von einem Löwen auf seinem lächerlichen Thron und schielte auf Grim herab mit einer Leidensmiene, als würde er die Welt auf seinen

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