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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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wieder.
    Die Tür schlug hinter ihnen zu, überzog sich mit verkrusteter Haut und verschmolz vollständig mit der Wand. Lyskian murmelte etwas, seine Worte suchten nach den Schritten des Jägers, doch alles, was sie heraufbeschworen aus der Dunkelheit, war ein Herzschlag. Mia zog die Brauen zusammen. Nein, es waren mehrere Herztöne, zuerst leise und unregelmäßig, dann immer lauter. Lyskian wandte sich um, sein Mantel streifte einer Reihe von Puppen über die Gesichter. Mia graute es, als sie anstelle von Holz und bemalten Wangen in sich bewegende Augen schaute – lebendige Augen, die sie anstarrten. Ein Klappern erklang, als die Marionetten die Köpfe wandten, eine nach der anderen, und kaum, dass das Geräusch der Herzschläge unerträglich wurde, sperrten sie die Mäuler auf und lachten.
    Mia schrie auf, so schrecklich war dieser Ton – ein Gesang aus Stimmen sterbender Kinder. Sie griff nach Grims Klaue, doch ehe sie ihn berühren konnte, erhoben sich die Marionetten und rasten auf sie zu. Fratzenhafte Gesichter stoben durch den Raum, heftige Schläge trafen Mias Rücken, und sie hörte die Worte, die in unbekannten Sprachen nach ihr stachen, als wären sie Messer. Ihre Kehle zog sich zusammen, irgendetwas geschah mit ihrem Körper. Es war, als würde er sich unter den Stimmen der Marionetten in Stein verwandeln – oder in Holz. Ruckartig fuhr ihre linke Hand in die Luft. Aber nicht sie war es gewesen, die sie bewegt hatte, und sie erschrak heftig, als sich ihre eigenen Finger in ihre Schulter krallten und tiefe Kratzer in ihrem Fleisch hinterließen. Sie rief nach Grim, doch um sie herum war nichts als ein Gewirr verzerrter Puppenleiber. Einzelne wurden größer, sie kauerten sich auf dem Boden zusammen und erhoben sich mit ungelenken Bewegungen, und Mia spürte, wie ein fremder Wille sie dazu brachte, sich umzudrehen und einer Marionette ins Gesicht zu schauen.
    Es war ein Räuber, der auf Grims Größe herangewachsen war. Sein Umhang wiegte sich mit seinen steifen Schritten, als er auf Mia zutrat, und ein Lächeln lag auf seinen Lippen – ein dunkles, grausames Lächeln. Seine Augen jedoch flirrten in tausend Farben, es waren Farben, die Mia einmal gekannt und vergessen hatte, Farben aus einer anderen Welt. Sie wollte zurückweichen, als er die Hand hob, doch sie konnte sich nicht rühren. Sie sah noch das Blitzen in seinem Blick, dieses tückische und gierige Greifen nach allem, was sie war. Dann stob etwas wie Staub aus seiner Hand auf sie zu. Stechend traf er ihre Augen, sie schrie auf vor Schmerz und sah gleich darauf nichts mehr um sich herum als wirre Nebel.
    Taumelnd fiel sie auf die Knie. Ihre Hände waren zu Holz geworden, sie spürte weder den Boden unter ihren Fingern noch den Sturm, der sie umtoste. Nur ihren Herzschlag fühlte sie schmerzhaft in ihrem starren Leib, und sie sah plötzlich wieder die Marionetten um sich herum – nein, es waren keine Puppen mehr. Tote Menschen waren es, Josi, Cécile, sie hingen an dünnen Drähten, die sich tief in ihre Leichenhaut gegraben hatten, und tanzten mit starr verzerrten Gesichtern zum Gesang der sterbenden Kinder.
    Mia riss ihren Blick los, sie wusste, dass das alles nicht wirklich geschah, und sie rief es sich selbst mit aller Kraft ins Bewusstsein. Sie schloss die Augen. Samhur hatte einen Dämonenzauber gewirkt, er hatte sie verhext, sie musste sich gegen seine Kraft behaupten. Dämonen negieren, was sie vernichten wollen , klang Lyskians Stimme in ihr wider. Für einen Moment stand sie ihm im Trainingssaal seines Hauses gegenüber und erinnerte sich an sein Lächeln, als sie zum wiederholten Mal von seinem Dämonenzauber in die Knie gezwungen wurde – und an die Wärme seiner Hand, als er ihr aufhalf. Mit aller Kraft konzentrierte sie sich auf seine Stimme, um dem Zauber nicht noch mehr Macht über sich zu geben, und plötzlich hörte sie ihn so deutlich, als würde er gerade in diesem Moment mit ihr sprechen, mehr noch: Sie sah ihn mit geschlossenen Lidern.
    Er stand mit geneigtem Kopf inmitten der tobenden Puppen, sein Mantel flatterte im Sturm. Schemenhaft erkannte Mia auch die Gestalten von Grim und den anderen, die hilflos waren wie sie inmitten dieses Zaubers. Lyskian hingegen rührte sich nicht, aber Mia fühlte seine Gedanken, sie durchdrangen die dämonische Magie und legten sich wie eine zärtliche Berührung schützend auf ihre Stirn. Ein kaum merkliches Lächeln flammte über Lyskians Züge, als er sich ihr zuwandte. Dann hob er

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