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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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den Kehlen packte und einen Bannzauber in ihre Glieder schickte, der sie auf der Stelle in eine tiefe Ohnmacht riss. Nur sein Mantel flatterte kaum hörbar, als er sie zu Boden sinken ließ.
    Mia folgte Grim und Remis aus ihrem Versteck und lugte vorsichtig durch ein Stück Glas in der Tür. Sie erkannte Bhragan Nha’sul, der regungslos auf einem Sessel saß und zu Samhur aufschaute. Der Jäger ging vor ihm auf und ab, doch etwas Unsichtbares umklammerte seinen rechten Knöchel und erschwerte ihm das Gehen wie eine schwere Kette, die mit dem Boden verbunden war. Lyskian legte die Hand auf die Klinke und murmelte etwas, und kaum, dass sein Zauber den Bann der Tür gelöst hatte, drangen die Stimmen klar zu ihnen.
    »… kennt Verus Crendilas Dhor!«, sagte Samhur gerade, und er sprach den Namen des Dämons aus, als würde er ihn in vollendeter Widerwärtigkeit auf der Zunge schmecken. »Ihr wisst, was geschehen wird, wenn wir ihn nicht finden!«
    Bhragan Nha’sul schnaubte kurz und schneidend. »Wir«, raunte er. »Willst du dich verbrüdern mit Hybriden, Menschen und Kobolden? Oder mit einem Prinzen der Vampire, der vergessen hat, wem seine Loyalität gebührt?«
    Mia warf Lyskian einen Blick zu, doch dieser zeigte keine Regung. Er fixierte einen Punkt im Nirgendwo, als würde er die Szene, auch ohne hinzuschauen, genau sehen können. Mia spähte wieder durch das Glas und sah, wie Samhur den Kopf schüttelte.
    »Ich verbrüdere mich mit niemandem«, erwiderte er ruhig. »Aber ich weiß, worin meine Aufgabe besteht, meine Bestimmung. Ich leistete einen Eid, und auch, wenn der Bund zerbrach, dem ich einst die Treue schwor, ist dieses Ehrenwort nicht erloschen. Ich bin ihm verpflichtet. Ich bin der Welt verpflichtet.«
    Der Lord musterte ihn mit solchem Hohn, dass Mia ihm am liebsten vor die Füße gespuckt hätte. »Der Welt bist du verpflichtet«, spottete er. »Nun höre sich einer das an! Du, ein Rhak’ Hontay und Bibliothekar, willst der Welt verpflichtet sein!«
    Samhur streckte das Kinn vor, ein feines Lächeln glitt über seine Lippen, das wie der boshafte Stich eines Skorpions war. »In der Tat«, erwiderte er. »Ihr versteht das nicht mehr. Ihr wisst nicht, wie das ist – sich der Welt verpflichtet zu fühlen, den eigenen Gaben, dem Weg, der vor einem liegt, auch wenn man ihn fürchtet. Nein, nicht einmal Furcht bedeutet Euch mehr etwas. Glaubt nicht, dass ich das nicht wüsste. Ich kenne Euch gut, mein Lord, vielleicht zu gut, als dass Ihr Euch vor mir verbergen könnt. Und ich weiß, dass Ihr einst anders geredet habt. Eure Worte waren gleißend, sie konnten aus Feuer sein und aus Eis, und sie trafen immer, ganz besonders Euch selbst. Doch nun sitzt Ihr da und redet, als würde Euch die Welt nichts mehr angehen – als würde Euch nichts erreichen von dem, was geschieht. Habt Ihr denn wirklich alles vergessen? Erinnert Ihr Euch nicht mehr an die Zeit, da ich Euer Lehrer war?«
    Mia hob überrascht die Brauen, doch nun, da sie Samhur hochaufgerichtet vor dem Lord der Vampire stehen sah, den Kopf leicht geneigt und mit diesem wissenden und stechenden Blick, da konnte sie sich Bhragan Nha’sul in jungen Jahren vorstellen, mehr noch als das: Sie sah ihn so klar vor sich, als würden Samhurs Worte ihn heraufbeschwören, und sie sah auch den Jäger, mächtig und klug schon damals, aber ohne diesen Schatten im Blick, der sein Gesicht von einer Sekunde zur anderen in ein Antlitz der Grausamkeit verwandeln konnte.
    »Erinnert Euch an Dragas Nakyros«, fuhr er fort und der Name kroch so fühlbar auf die Tür zu, dass Mia kurz zurückwich. Sie hatte schon von ihm gehört und Bilder von ihm gesehen, von diesem uralten Vampir mit den grauen Augen und den schlohweißen Haaren, dessen Haut heller gewesen war als Schnee und dessen Macht und Grausamkeit keine Grenzen kannte. »Den großen Lord der Vampire, der Euch zu dem machte, was Ihr seid! Ihr habt ihn bewundert, ehe Ihr ihn zum ersten Mal im Blutrausch zur Bestie werden saht! Erinnert Euch an die Einsamkeit, die Ihr als neu erschaffener Vampir an seinem Hof empfandet, an die Sehnsucht nach dem Menschentum, das Euch genommen wurde, und erinnert Euch an den Schmerz, als Ihr erfahren habt, dass es der Lord war, der Eure Familie auslöschte, der sie gefressen hat, mit Haut und Haaren, und nicht die Wölfe, wie er stets behauptete! Erinnert Euch an das, was Ihr dann tatet, an den Rausch, in dem Ihr ihn getötet habt – ihn, den mächtigsten Vampir des Schattenreichs.

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