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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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Lampe in schwindelerregendem Tempo anfing zu pendeln.
    Grim packte sie und warf dem Kobold einen Blick zu, der so tat, als hätte er bloß eine Mücke vertreiben wollen. »Die Stadt der Flammen«, sagte er, und als hätte der Name den Befehl dazu gegeben, nahm er auf einmal erneut den Geruch wahr, den er bereits in den Tunneln des Bahnnetzwerks gespürt hatte – diesen Duft von Asche und Schnee, der auch dieses Mal den Gestank der Untoten durchdrang und ihn in belanglose Fetzen riss. Das unruhige Flackern in Samhurs Augen war wie eine düstere Vorbedeutung.
    »Einst war sie die Heimat meines Volkes«, sagte der Jäger mit rauer Stimme. »Ich erinnere mich an das Tosen des Toten Flusses, das über meine Glieder strömte wie Feuer, an die Dornen des Flüsterhains und die Strahlen der Silberpappeln, die unsere bleiche Haut noch durchscheinender machten. Wir lebten in den Schatten, und wir waren selbst Schatten, ja, so ist es gewesen. Rha’manthur war ein Kleinod der Finsternis in den Tiefen der Erde. Heute ist nicht mehr viel übrig vom einstigen Glanz.«
    Kaum hatte er geendet, ging ein Wispern durch die Luft, das ihm tadelnd über den Mund fuhr. Es hörte sich an wie das Flüstern von Wind in fallenden Blättern oder das leise Gleiten von Schwingenschlägen über Gräbern, und Grim meinte, einen Namen durch das Säuseln zu hören, einen Namen, getragen von dem gefrierenden Atem eines Raben. Skarnaara , flüsterte es an seinem Ohr, und Remis schaute umher, als würde er die Stimmen hören, die durch die dunklen Fenster drangen und mit kalten Fingern nach Grims Wangen griffen. Skarnaara, die Frostschöne, die in lang vergangener Zeit die Tundren der Östlichen Welt in einer einzigen Nacht von den Blutkojoten befreite, die Grausamkeit der Silbernen Steppe mit Augen wie Kristall, die Zarin der Nacht, die einstige Gefährtin Bhragan Nha’suls, ehe sie sich in die Unterwelt zurückzog, in die Schatten, die sie gebaren. Grim hatte viel gehört von den Kriegen, die sie in ihrem Östlichen Reich geführt hatte, von den Schlachten, in denen sie allein gegen unzählige Wölfe des Steppenreiches kämpfte und siegreich blieb, und von ihrer Stimme, die sterbliches Blut mit einem einzigen Ton zum Gefrieren bringen konnte. Er erinnerte sich an die Zeichnungen, die er in den Büchern Ghrogonias gesehen hatte, damals, als er von Italien nach Paris gekommen war, unbedarft, jung und unwissend, und er spürte wieder den Schauer, der bei dem Blick in ihre Augen über ihn gekommen war. Ja, unzählige Geschichten kannte er über Skarnaara, diese Vampirin der Ersten Zeit, und doch wusste er nichts über sie. Verwirrt hatte er vor ihrem Bild gestanden, es schien ihm plötzlich, als wäre es gestern gewesen, und er konnte nichts dagegen tun, dass eben diese Empfindung auch jetzt von ihm Besitz ergriff, als er an ihre bleiche Haut dachte, an ihr pechschwarzes Haar, das sie umhüllte wie ein Umhang aus Finsternis, und an ihre Augen, deren Ausdruck ihn umfangen hatte wie ein Meer aus Scherben und von denen er sich nicht hatte abwenden können, obwohl ihr Anblick schmerzhaft gewesen war, als wäre er kopfüber in eine eisige Kälte gestürzt.
    Ja , raunte Samhur in seinem Kopf und lächelte, als Grim mit finsterer Miene seine Gedanken vor ihm verschloss. »Sie ist ein Mythos wie die ganze verfluchte Stadt.«
    Remis seufzte tief. »Mythen hier, Mythen da«, murmelte er. »So interessant sie am Anfang immer klingen – am Ende sind sie doch nur eines: saugefährlich.«
    Samhur lachte auf. »In der Tat«, stimmte er zu. »Die Zarin der Nacht ist mächtig, ich würde niemandem raten, ihr in die Quere zu kommen, ganz gleich, was sie tut. Doch sie ist nicht die größte Gefahr dort unten.« Er warf Grim einen Blick zu, und als er sich ein weiteres Blutblättchen in den Mund schob, stahl sich ein belustigter Funke in seine Augen. Ärgerlich stieß Grim die Luft aus.
    »Ich habe größere Finsternisse durchschritten als die Schatten Prags oder die Abgründe vampirischer Seelen«, sagte er und ließ seine Knöchel knacken, als Samhurs Spott sich nur noch vertiefte. »Ich fürchte mich nicht vor den Schatten Rha’manthurs.«
    Samhur lächelte kaum merklich. »Wir werden eine Menge Spaß zusammen haben«, sagte er und wandte sich gerade rechtzeitig ab, um Grim daran zu hindern, ihm eine passende Bemerkung an den Kopf zu werfen. »Es freut mich, dass du so furchtlos bist, das können wir gut gebrauchen. Es ist ja nicht eben leicht heutzutage, die Kraft

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