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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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verbrannte und das Haus neu errichtete, mit ihren Gedanken, ihren Erinnerungen, ihren Träumen. Sie sah zu, wie das Silberlicht in seinen Blick zurückkehrte, sie war noch immer da, ihr Herz schlug in ihrer Brust, und dieser Ton klang kurz in dem Hermaphroditen wider. Ein kaum merklicher Glanz glitt über sein Gesicht, ein Schimmer, der wie ein Lächeln war.
    Wer gelangt in das Geheimnis jenseits der Tür? Er sah Mia an, doch ehe sie etwas erwidern konnte, neigte er leicht den Kopf. Der, der sich danach sehnt , antwortete er sich selbst. Damit hob er die Hand, erst jetzt bemerkte sie die langen, rissigen Nägel, die blutige Wunden in seine Handflächen gegraben hatten. Er deutete auf Lyskian, dann auf sie selbst. Ihr könnt gehen. Die anderen – nicht.
    Radvina keuchte erschrocken, Jaro wollte vortreten, doch Lyskian hielt ihn zurück. Nur Edwin stand regungslos da, seine Augen waren zwei glänzende blaue Seen hinter den Gläsern der Trollbrille.
    »Aber warum?«, fragte Mia und konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme zitterte. Sie fühlte wieder die Hitze des Fluchfeuers, und gleichzeitig sah sie, dass sich Bilder an den Wänden erschufen, Möbel und Kleidungsstücke, die ihr bekannt schienen wie aus einem vergessenen Traum. Sie spürte, wie das Haus des Hermaphroditen ihr die Kraft nahm. Lyskian hatte recht: Sie mussten verschwinden, wenn sie sich nicht an diesem Ort verlieren wollten.
    Das Gesicht des Hermaphroditen hatte jeden Glanz verloren. Kälte zog über seine Wangen und breitete sich im Zimmer aus. Eisblumen überzogen die Fenster. Keiner von ihnen würde dort überleben, wohin ihr gehen wollt , erwiderte er fast lautlos. Diese Welt würde sie verbrennen.
    Mia wechselte mit Lyskian einen Blick. »Aber sie können nicht zurück«, sagte sie eindringlich. »Die Realität steht in Flammen!«
    Der Hermaphrodit stieß einen Laut aus, der wie ein Lachen klang. Das tut sie seit jeher, die … Realität , raunte er, und es hörte sich an, als hätte er dieses Wort noch nie zuvor ausgesprochen. Es wäre ein leichterer Tod, als in den Feuern der Geheimnisse. Ihr seid unwissend in euren Kerkern. Ihr kennt es nicht, das wahre Feuer.
    Er senkte den Blick, doch kaum, dass das Silberlicht von ihr fortglitt, wurde es schwächer, und Mia hatte das Gefühl, es um jeden Preis am Erlöschen hindern zu müssen. Sie trat vor, obwohl die Kälte in der Nähe des Hermaphroditen zunahm.
    »Worin besteht der Unterschied?«, fragte sie, während ihr Atem in der Luft gefror und sich in tanzende Sterne verwandelte. Langsam zerstoben sie und fielen als Schnee zu Boden. Mia erinnerte sich an einen Besuch im Bois de Boulogne zur Weihnachtszeit, es hatte geschneit, sie war noch ein Kind gewesen, doch kaum, dass das lachende Antlitz ihres Vaters vor ihr auftauchte, hatte sie es vergessen. Sie drängte die dumpfe Leere zurück, die in ihr pochte, und zog die Brauen zusammen. »Warum werde ich nicht verbrennen?«
    Der Hermaphrodit hob langsam den Kopf. Ein grauer Schleier hatte sich über seinen Körper gelegt, es schien, als würde er versteinern. Nur noch ein schwacher Silberstreif fiel auf seine Wangen und schimmerte wie Tränen. Du trägst sie in dir , erwiderte er, doch seine Stimme klang wie weit entfernt . Die Flamme, die du noch nicht kennst. Sie schützt dich, weil sie selbst ein Geheimnis ist.
    Ein Windzug stob Mia die Eispartikel ins Gesicht, erst jetzt bemerkte sie die Tür, die sich an der gegenüberliegenden Wand geöffnet hatte. Blaues Licht fiel in den Raum, sie konnte nicht erkennen, was dahinterlag, doch sie hörte die Stimme des Hermaphroditen auf einmal tosend laut in ihrem Kopf.
    Geht , grollte er wie vom Sturm getragen. Geht, wenn ihr nicht bleiben wollt an meinem Ort ohne Welt!
    Mia sah zu den Hartiden hinüber, Furcht stand in ihren Gesichtern, Zorn – und Traurigkeit. Lyskian warf ihr einen Blick zu, sie wusste, dass er die drei zurücklassen würde, wenn es keinen anderen Weg gab. Sie wandte sich ab, weil sie die Kälte in seinen Augen nicht ertrug, und doch war es seine Stimme, die auf einmal wie ein wärmender Schauer durch ihre Gedanken strich.
    Sie sehen die Bilder nicht nur an , hörte sie jene Worte, die er ihr damals gesagt hatte, als sie darüber sprachen, warum die Menschen ihre Bilder liebten. Sie empfangen etwas von ihnen. Sie wissen vielleicht nicht, was es ist. Aber sie sehnen sich danach, Mia. Und du – du kannst es ihnen geben.
    Mia schloss die Augen, als sie die Magie in ihre Finger schickte.

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