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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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zu den Metros von Paris verweigerten sich die Züge Prags offensichtlich jeglicher Modernität.
    Zierdeckchen lagen auf den antiken Tischen, Diener in historischen Uniformen reichten den Herrschaften kristallene Gläser, und goldene Lämpchen baumelten von der Decke, so dass Grim bei jedem Schwanken des Zuges den Kopf einziehen musste, um nicht von einer Überdosis Kitsch getroffen zu werden. Remis sauste zwischen den Scheußlichkeiten dahin, als trainierte er für eine Weltmeisterschaft im Slalomfliegen, und Grim bemühte sich, nicht mit den Schwingen gegen die maroden Gepäckhalterungen zu stoßen, die hin und wieder schmerzerfüllt knarrten. Und als wäre das alles noch nicht schlimm genug, stank es in diesem verfluchten Mausoleum auf Schienen dermaßen nach den Lieblingsgerüchen der versnobten Prager Blutsauger, dass ihm übel wurde.
    Auch Samhur schien nicht sonderlich viel übrigzuhaben für diese Gerüche. Den Hut tief ins Gesicht gezogen ging er an den Vampiren vorüber, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Die Blutsauger hingegen betrachteten ihn mit unverhohlener Missachtung. Grim war sich nicht sicher, ob sie ahnten, wen sie vor sich hatten. Jeder Frischling der OGP hätte angesichts der diamantenen Peitschen, die Samhur auf dem Rücken trug, sofort gewusst, dass es sich bei ihm um einen Dämonenjäger handeln musste, aber die Rekruten Ghrogonias waren eben keine aristokratischen Blutsauger, die sich für Spitzendeckchen und Zimtgestank interessierten und für die zu einem standesgemäßen Vampirdasein die erlesene Garderobe ebenso dazugehörte wie menschliche Diener, die nichts von ihrer Sklaverei ahnten. Grim dachte an Lyskian, der diesem Klischee eines Vampirs in mancherlei Hinsicht entsprach und es gleichzeitig immer gerade dann mit Vorliebe brach, wenn niemand damit rechnete. Die Vampire dieses Zuges hingegen maßen Samhurs schmutzverkrustete Stiefel mit abfälligen Blicken, und als der Jäger die Tür eines Abteils aufschob und sich auf einen der antiken Sessel fallen ließ, dass es knirschte, verließen zwei Blutsauger demonstrativ den Raum. Während Remis sich mit Begeisterung auf dem gepolsterten Lampenschirm niederließ, der beinahe bis auf die Tischplatte hinabhing, setzte Grim sich vorsichtig und warf Samhur einen skeptischen Blick zu.
    »Die Zeiten der Jäger sind vorüber«, stellte dieser fest, ohne dass Grim auch nur ein Wort gesagt hätte. »Ich bin ein Exot unter den Vampiren, vielleicht war ich das immer schon. Es gibt keine Herde für jene, die ihrer Bestimmung folgen müssen. Nun, ich bin sicher, du weißt, wovon ich spreche.« Er griff in seine Tasche und zog eine kleine silberne Dose hervor. Schweigend ließ er sie aufschnappen, Remis schaute neugierig hinein, und Grim betrachtete mit hochgezogenen Brauen die dunkelroten Blätter, die wie gepresstes Laub darin lagen. Er nahm den Geruch des Blutes wahr, noch ehe Remis mit angewidertem Gesicht auf die Lampe zurückkehrte, und Samhur lächelte kaum merklich. Langsam zog er eines der Blätter heraus und schob es sich in den Mund. »Nichts ist so beruhigend wie das Blut deiner Feinde«, sagte er, und Grim sah mit einer Mischung aus Faszination und Widerwillen, wie sich die Wangen des Vampirs in leichtem Rot verfärbten. Kurz war er versucht zu fragen, wessen Blut Samhur in einer Dose mit sich herumtrug, aber der Vampir hatte sich bereits abgewandt und schaute aus dem Fenster, als würde er in der Finsternis der Tunnel etwas sehen, das ihm Antworten gab auf lang vergessene Fragen – Antworten, die er nicht hören wollte. Seine Miene verfinsterte sich, doch ehe er vollständig in sein eisiges Schweigen zurückgerutscht war, beugte Grim sich vor.
    »Wohin fahren wir?«, fragte er betont beiläufig, aber er hatte diese Frage zu lange hin und her gedreht, als dass sie nun nicht ungeduldig hätte klingen können. Irgendwie mussten sie die Herrschaft der Dämonen über die besessenen Schattenflügler brechen, doch Samhur hatte ihm gleich zu Beginn ihres Weges mit einem einzigen Blick unmissverständlich klargemacht, dass Fragen jeglicher Art unerwünscht waren. So war Grim wie ein Schuljunge hinter ihm hergetrottet, ohne zu wissen, wohin sie gingen. Aber jetzt war es an der Zeit, dem ein Ende zu setzen, uralter Vampir hin, Dämonenjäger her. Und offensichtlich hatte Samhur nicht vor, sich weiterhin vor einer Antwort zu drücken.
    »Wir reisen nach Rha’manthur«, erwiderte er leichthin und ließ Remis damit so heftig zusammenfahren, dass die

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