Grim
ihm entgegenloderte.
Das ist nicht alles , sagte er und nahm die Worte mit in die Flammen, während er sich vorstürzte und Erinnerungen durch seine Finger sandte, tief hinein in die Dunkelheit, in der Kronk in Ketten lag. Grim raste durch Feuer und Nacht, er sah sich mit seinem Freund auf den Feldern vor Rom sitzen, damals, als sie die Gestaltwandler in Zaum gehalten hatten, er sah sie in den Katakomben von Budapest auf der Suche nach der Horde der Lichs, er sah sie Seite an Seite hinter Thorons Thron bei einer Hinrichtung stehen, sah sie einander anschauen, schweigend und mit einem Lächeln unter den zerstörten Straßen Ghrogonias, bereit, miteinander gegen das Dunkel zu kämpfen – bereit, füreinander zu sterben.
Grim fühlte die Flammen des Fluchfeuers und hörte die Schreie des Dämons, der ihn würgte. Doch er achtete nicht darauf. Er konzentrierte sich auf das Gesicht, das nun durch die Schatten brach. Ein steinernes Gesicht war es mit rabenschwarzen Augen, die mehr gesehen hatten als Tod und Leid, ein Gesicht, das einem Krieger gehörte – einem Helden, der vor keinem Dämon der Welt auf die Knie fallen würde. Er sah Kronk in die Augen, und er wiederholte das Versprechen, das er ihm gegeben hatte.
Ich befreie dich , sagte er und spürte kurz die samtene Kühle, die in den Nächten am Wachfeuer in den Tundren der Nördlichen Welt in Kronks Augen gestanden hatte oder in dem verbrannten Menschendorf jenseits des Donnerflusses – damals, als Grim noch jung und Kronk bereits ein erfahrener Krieger gewesen war. Diese Kühle war das tiefste Lächeln, zu dem Kronk fähig war, und er spürte ein Ziehen in seiner Kehle, als er es erwiderte.
Langsam richtete Kronk sich auf, er tat es wie unter Schmerzen, doch als er den Kopf in den Nacken legte und brüllte, da zerriss die Macht des Dämons, und noch während Grim von der Wucht dieses Schreis in seinen eigenen Körper zurückgerissen wurde, sah er Kronk in der Finsternis, den Krieger, den Gefährten, den Freund.
Grim keuchte, als er sich in seinem Körper wiederfand. Der Dämon hatte die Klauen von seiner Kehle genommen. Fassungslos starrte er ihn an, doch tiefste Schwärze flammte durch das Grün seiner Augen, und als Grim ihn von sich stieß, kam er taumelnd auf die Beine, als wäre er eine Marionette, deren Spieler die Fäden durcheinandergebracht hatte und nun verzweifelt versuchte, sie zu entwirren. Grim hörte die anderen Dämonen, die ihre Benommenheit abgestreift hatten und sich ihm näherten. Schwarze Schleier zogen an seinen Augen vorüber, er würde keine Kraft mehr haben, sie zurückzuschlagen, und er fühlte noch immer die Hitze des Fluchfeuers, die Samhurs Körper umschlang. Von dem Jäger konnte er keine Hilfe erwarten. Schwer atmend schickte er einen Flammenzauber in seine Faust, er würde nicht vor ihnen auf die Knie fallen, so viel stand fest.
Schon hörte er den Donner, der ihn zerschmettern sollte – doch da stieß Kronk die Arme vor. Seine Augen waren rabenschwarz, kein Fluchfeuer loderte mehr in ihnen, und aus seinen Händen schossen Peitschen aus rotem Licht und packten die Dämonen mit festem Griff. Sie schrien auf, als er sie zu sich heranriss. Grim sah ihn an, sein Blick ging ihm durch und durch, und er hörte sich schreien, als Kronk sich von der Klippe abstieß und rücklings hinabfiel in die Schlucht.
Der Fluss brüllte entfesselt, eiskalter Wind schlug Grim entgegen, als er bis dicht an den Abgrund heranstürzte. Wie in Zeitlupe fielen die Schattenflügler in die Finsternis, und er vernahm eine Stimme durch das Tosen, die ihm den Atem nahm. Zwei Worte waren es, die Kronk zu ihm sprach, es war eine Antwort, das wusste er, und er grub die Klauen in den Fels, um nicht zu schreien.
Ich weiß , sagte Kronk leise.
Dann versank er in den Fluten.
Kapitel 34
Das Goldene Gässchen lag in verwunschenem Schweigen. Diekleinen bunten Häuser drängten sich verschwörerisch aneinander, grüner Rauch stieg aus den knochenbleichen Schornsteinen, und das warme Licht der Straßenlaternen glänzte auf dem Kopfsteinpflaster wie Öl.
Wortlos folgte Mia den anderen die Gasse hinunter. Im anderen Prag hatte sie an diesem Ort nicht mehr als die Flammen des Fluchfeuers wahrgenommen, doch nun ließ sie den Blick über die winzigen Häuser schweifen und kam sich vor wie ein Kind, das an verschlossenen Zaubertüren vorüberging. Vergebens hatte sie am Ende der Gasse nach dem Haus des Hermaphroditen Ausschau gehalten und nichts gefunden als einen
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