Grim
verwundet worden waren, wurden vom Nebel berührt und erstarrten zu Ewigem Stein.
Außer sich jagte Grim dahin, fort von den Nebeln der Totenwelt und der Stimme des Dämons. Er fühlte Carvens Haar an seiner Wange, hörte die raschen Atemzüge des Jungen, doch vor sich sah er nicht die dunklen Gebäude der Stadt, nicht die Schatten in den Straßen und nicht die Krieger, die fliehen mussten. Er sah in den Nachthimmel, ein Meer aus schwarzen Tüchern – und für einen Moment, kaum länger als einen Wimpernschlag vielleicht, verfärbte er sich in reinem Gold.
Kapitel 46
Eiskalt kroch der Wind von der Moldau den Vyšehrad hinauf, toste um die Türme der Peter-und-Paul-Kirche und stob Mia, die auf der Mauer hoch über dem brausenden Fluss saß und über die Dächer der Stadt schaute, in den Nacken. Noch immer erhoben sich die Gebäude in dämonischer Verzerrung in die Nacht. Die Kraft der Car’lay Ythem hatte sie durchdrungen wie Gift. Erst, wenn es keinen Meister mehr gab, der über sie herrschte, würde sie zurücksinken in die Schatten.
Ein Schutzzauber der OGP lag über dem Hügel, um mögliche Angriffe der Dämonen abzuwehren, aber kein Kind des Zorns ließ sich außerhalb des Nebels blicken, der die Prager Burg umschloss. Geisterhaft schlich er durch die Gassen Kleinseites, und hatte der Wind nicht die Macht, Mia zum Zittern zu bringen, so fröstelte sie nun, da sie zu den Nebelbänken hinübersah. Aus Braskaton sollten sie stammen, und sie verzehrten alles Lebendige aus Zorn darüber, dass Verus sie bestohlen hatte.
Mia dachte an die dunklen Gestalten der Gargoyles, die nicht schnell genug vor den Nebeln hatten fliehen können. Versteinert waren sie, so schnell, dass nur das Entsetzen sich noch auf ihren Gesichtern spiegelte als Zeichen des Abschieds von der Welt. Fast wäre Mia selbst vom Nebel erfasst worden, wenn Lyskian sie nicht zurückgehalten hätte. Sie hatten das Schlachtfeld beinahe erreicht, als der schwarze Dunst aus der Burg geströmt war, lautlos und von dämonischer Kraft vorangetrieben, und während die Gargoyles den Rückzug angetreten hatten, war Mia vorgestürmt, mit Grims Namen auf den Lippen. Sie hatte die Stimmen des Nebels gehört, hatte die versteinerten Gargoyles in seinen Schleiern gesehen und schließlich Grims schattenhafte Gestalt weit über sich entdeckt, den leblosen Körper Carvens in den Armen. Erst dann war sie vor dem Nebel zurückgewichen.
Grim war unverletzt entkommen, und doch schien es ihr, als wäre ein Teil von ihm in den Nebeln Braskatons geblieben. Lange hatte sie bei ihm gesessen in Carvens Zimmer des Islis, hatte seine Klaue gehalten und mit ihm über den Schlaf des Jungen gewacht, und sie hatte die Kälte gespürt, die von ihm ausströmte und seine Augen in dumpfem Schwarz verfärbte. Es schien ihr, als hätte er sich in einem Labyrinth verlaufen, in dem sie ihn nicht finden konnte. Kaum ein Wort hatte er gesprochen, überdeutlich hatte sie gespürt, dass sie ihn in seinen Gedanken nicht erreichen konnte, und schließlich hatte sie die stickige Wärme der Gargoylesiedlung und die Stille des Zimmers nicht mehr ertragen, in dem Grim so reglos an Carvens Bett saß, als wäre er wie die gefallenen Krieger zu Ewigem Stein erstarrt.
Sie zog die Beine an den Körper, als sie an die wenigen Worte dachte, die er mit ihr gewechselt hatte. Knapp hatte er erzählt, was geschehen war, und von Verus’ Plänen berichtet, und Mia sah sie vor sich, die gewaltige Armee, die in diesen Augenblicken durch die Welt der Träume marschierte, um über die Menschenwelt hereinzubrechen. Ihr Magen zog sich zusammen, als Josi und ihre Mutter vor ihr auftauchten, die Gesichter maskenhaft verzerrt. Ob sie wussten, was gerade mit ihnen geschah? Auch Jakob, der wie Theryon bei den Nornen des Nordens von seinen Wunden geheilt wurde, sorgte sich um die beiden, und obwohl Mia erleichtert war, ihren Bruder in Sicherheit zu wissen, hatte sie den Blick in sein blasses Gesicht kaum ertragen. Sie fuhr sich über die Augen. Sie hatte mit Samhur über die Geschehnisse gesprochen und wusste, dass sie sich noch keine Sorgen um das Leben der befallenen Menschen machen musste. Keiner der Dämonen würde es wagen, den schützenden Körper zu verletzen, denn ohne ihn würden sie nach Braskaton zurückgerissen. Doch das Ritual führte sie unweigerlich zur Grenze der Traumwelt, und sobald sie diese erreicht hatten, würden sie in tiefen Schlaf sinken – für viele Dämonen würde es der erste und einzige
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