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Grim

Grim

Titel: Grim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Schwartz
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dem Leib zog, doch sie zitterte nicht mehr. Sie fühlte nichts als die Kälte in ihren Gliedern, die sie auf die Knie zwang und ein einziges Bild vor ihr in den Staub warf: das Bild ihres Vaters, allein und weinend am Küchentisch.
    Da zerriss ein Schrei den Nebel. Mia kam zu sich, sie lag am Boden vor dem Sessel, und über ihr, die Augen zu schwarzem Feuer entflammt, stand Lyskian und packte Raskaya an der Kehle. Mia merkte, wie diese sich aus ihr zurückzog, doch ihre Augen waren schneeweiß mit winzigen grünen Lichtern darin, und als sie Lyskian vor die Brust schlug und sich befreite, wich er vor ihr zurück.
    »Halte dich an dein Versprechen«, raunte er kaum hörbar, aber so schneidend, dass sich Raskayas Augen verengten. Sie maß ihn mit ihrem Blick, ein spöttisches Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Wortlos zog sie sich in ihren Sessel zurück, während Lyskian neben Mia in die Knie ging. Ein Wärmezauber flutete ihre Glieder, als er seine Hand in ihren Nacken legte und ihr aufhalf. Auf seinen Lippen glomm ein Lächeln, und Sorge stand in seinem Blick, die sich nicht die Mühe machte, sich vor ihr zu verbergen. Seine Wärme durchzog ihren Körper und nahm ihr die Kälte so selbstverständlich und wortlos, dass es ihr für einen Moment schien, als wäre sie nichts als eine Erinnerung gewesen.
    »Seht«, flüsterte Raskaya dunkel. »Seht, wen ich gefunden habe am Ende der Kette, an letzter Stelle derer, die die Maske des Bhaal in ihrem Besitz hatten. Du kennst ihn, Menschenkind, oh ja … Willst du ihn dir nicht ansehen?«
    Mia hörte, dass sie lächelte, und kurz wollte sie die Augen schließen, wollte sich abwenden und nichts wissen von dem Bild aus Feuer, das wenige Schritte von ihr entfernt in der Luft schwebte. Doch sie tat es nicht. Sie hob den Blick, fühlte die Flammen auf ihrer Haut und hob die Hand an den Mund. Raskaya hatte recht gehabt. Sie kannte ihn.
    Wie ist das möglich , dachte sie und schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie sah in das Gesicht eines Engels.

Kapitel 9
    Der Kopfschmerz stach als Lanze aus Licht in Grims Augenund brachte ihn zu Bewusstsein. Im ersten Moment wusste er nicht, wo er war. Mehrere Bannzauber hielten ihn an der Wand gefangen. Neben ihm hingen Remis und die Schattenflügler, sie waren bewusstlos. Wenige Schritte von ihnen entfernt prangte die Maske des Bhaal auf einem steinernen Sockel, unheilschwanger starrten ihre leeren Augen in die Dämmerung. Und dort, hochaufgerichtet vor der riesigen Fensterfront, stand eine helle Gestalt mit mächtigen Schwingen – eine Gestalt, die Grim nur zu gut kannte.
    Er erinnerte sich an ihre erste Begegnung in den Katakomben Ghrogonias, an den suchenden Blick des anderen und an den Ausdruck in seinen Augen, als er sich von Grim verabschiedet hatte, damals bei ihrem letzten Kampf. Als hätte sein Gegenüber diese Gedanken gehört, holte er Atem und wandte sich langsam um. Der Anblick traf Grim wie ein Schlag, und obwohl er erwartete, Zorn, Abscheu oder Hass zu empfingen, überkam ihn doch nur ein einziges Gefühl, als er seinem Gegenüber in die Augen sah: eine tiefe, dunkle Ruhe.
    »Seraphin«, brachte er über die Lippen und fürchtete für einen Moment, das Bild würde zerbrechen wie all die Träume, die er in den vergangenen Jahren von seinem Bruder gehabt hatte. Seraphin von Athen, das Kind des Feuers und der Hybrid ohne wirkliche Eltern – Seraphin, sein Bruder, war zurückgekehrt.
    Das blaue Licht der Träume fiel sanft auf Seraphins Gesicht, als er näher trat. Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, und auch Grim lächelte, er konnte nichts dagegen tun. Zornig ballte er die Klauen. Hier war Seraphin, der vor kaum mehr als zwei Jahren so viel Leid über Ghrogonia gebracht hatte, und was tat er? Verflucht, er musste sich zusammenreißen! Dieser Kerl mochte sein Bruder sein, aber er hatte schon einmal großes Unheil angerichtet und stand nun offenbar kurz davor, seinen Fehler zu wiederholen. Noch dazu hatte er offensichtlich nichts Besseres zu tun, als ihn mit Bannschnüren zu fesseln und ihn anzulächeln wie ein frisch in die Falle gegangenes Wildschwein. Dabei sah Seraphin nicht aus wie ein Krieger, im Gegenteil. Er wirkte bleich und ausgezehrt, unter seinen Augen standen dunkle Schatten, und Grim bemerkte mit einem Schrecken, der ihm gewaltig gegen den Strich ging, dass seine Haut von zahlreichen Schnitten übersät war, die sich offensichtlich seit einer geraumen Weile weigerten zu heilen. Die Wunde in seiner Brust, die Mia

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