Grim
sein, ehe sie in den Stürmen der Zeit verschwanden. Sie waren die gefürchtetsten Dämonenjäger der Anderwelt.«
Lyskian neigte zustimmend den Kopf. »In früheren Zeiten unterschied sich mein Volk nicht so stark wie heute von den Dämonen. Wie sie folgten wir unseren Trieben, wie sie hörten wir nur auf eine Stimme in uns: die Gier. Wie sie strebten wir nach grenzenloser Macht, und so kämpften wir gemeinsam mit ihnen gegen die Gargoyles und um die Vormachtstellung in der Anderwelt. Die Schlacht von Prag markiert eine Zäsur im Verhältnis zwischen Vampiren und Kindern des Zorns. Denn nach der Niederlage arrangierte mein Volk sich mit den Gargoyles und unterzeichnete den Vertrag von Thyros, wohingegen die Dämonen dies bei Weitem nicht so bereitwillig und mit breitem Einverständnis im Volk taten wie wir. Wir entfremdeten uns voneinander, mehr und mehr verschrieb sich mein Volk der Kälte der Ratio, um die Gier zu betäuben, während die Dämonen sich dem Rausch ergaben. Es kam zu blutigen Kämpfen zwischen königstreuen Vampiren und radikalen Dämonen, und dieser Zwist fand seinen vorläufigen Höhepunkt im Massaker von Grhrokol, in dem eine Horde Dämonen mehrere Vampirclans auslöschte. Nur einige wenige überlebten, und sie entschlossen sich, Rache zu nehmen. Zu diesem Zweck eigneten sie sich die Magie der Dämonen an und erschufen den Clan der Rhak’ Hontay, der sich der Jagd auf die Kinder des Zorns verschrieb.«
Mourier nickte, ein schwerer Glanz war in seine Augen getreten. »Ich erinnere mich an die Geschichten über ihre Heldentaten«, sagte er. »Doch sie waren gefürchtet unter den Gargoyles und wurden unter Thorons Herrschaft verfolgt. Denn nicht nur gegen Dämonen richtete sich sein Hass und sein Zorn, sondern auch gegen jene, die dämonisches Wissen bargen.«
Lyskian schaute ihn finster an. »Mein Volk kann Bibliotheken füllen mit Geschichten seines Wahns«, erwiderte er kalt. »Es war keine Überraschung, als Thoron eines Tages damit begann, die Rhak’ Hontay zu jagen. Sie zogen sich in die Anonymität zurück. Diese mächtigen Wesen wurden von der Klaue der Furcht zerschmettert.«
»Thoron ist tot«, sagte Mourier kühl, doch Lyskian erwiderte seinen Blick.
»Furcht und Misstrauen sind treue Begleiter«, erwiderte er. »Und sie haben ein langes Gedächtnis.«
Da beugte Theryon sich vor. »Die Gargoyles fürchteten sich nicht grundlos vor ihnen«, warf er ein. »Und auch die Vampire begegneten ihnen nicht immer freundlich, wenn man den Erzählungen glauben darf.«
Lyskian schwieg für einen Moment, dann nickte er. »Zunächst wurden sie als Helden gefeiert, doch dann … Nun, die Jagd auf die Dämonen blieb nicht ohne Folgen, und mit der Zeit wurden die Rhak’ Hontay zu einer Art Rattenfänger für mein Volk – benötigt in Gefahrenzeiten, doch gemieden, wenn sie nicht gebraucht wurden.«
Mia zog die Arme um den Körper. Es war kalt geworden in dem Zimmer, so kalt, dass ihr Atem in der Luft gefror. »Ich habe nur wenig über die Rhak’ Hontay gelesen, aber … es heißt, dass sie gefährlich waren. Dass sie … mehr waren als gewöhnliche Vampire.«
Ein beinahe belustigtes Lächeln flog über Lyskians Lippen. »Jeder Vampir ist gefährlich und jeder Vampir ist es mehr als du ahnst«, erwiderte er sanft. »Aber es ist wahr: Die Rhak’ Hontay sind den Dämonen so gefährlich geworden, weil sie ihnen so ähnlich waren. In der Sprache ihres Bundes hieß es: K’ayrhon arrs Thumon . Jeder wird, was er jagt.«
Ein Schatten formte sich in Lyskians Augen, deutlich erkannte Mia eine Gestalt in langer Kutte, das Gesicht im Dunkeln verborgen. Sie schien in der Luft zu schweben, Standbein und Spielbein gekreuzt und die Arme wie Vogelschwingen erhoben, während der Kopf tief geneigt in die Dunkelheit zu ihren Füßen starrte. Licht und Finsternis flammten über ihren Körper, der mehr wirkte wie ein Schemen aus Dämmerung als wie ein Leib aus Fleisch und Blut. Schneeweiße Hände ragten aus der Kutte, als würden sie die tanzenden Schattenspiele zwischen ihren Fingern halten. Etwas Raubtierhaftes lag in dieser Pose, etwas Tänzerisches und zugleich namenlos Grausames, und Mia spürte die Gefahr, die von dieser Gestalt ausging. Sie musste an einen Adler denken, der auf eine Maus herabstößt, ohne dass diese auch nur etwas davon ahnt. Langsam hob die Gestalt den Kopf, helle Augen glommen in der Finsternis auf, und gleich darauf fiel der Funke in die Dunkelheit, so schnell, dass Mia beinahe das
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