Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz
kaufen, ich meine, bei diesen Preisen. Mir ist natürlich klar, dass sie zu Hause das Doppelte kosten würden, aber das macht sie ja nicht billiger. Nein, ich glaube, ich entscheide mich für die dunkelgrauen.« Eigentlich veranstaltete Melrose das ganze Theater nur, um Trueblood Gelegenheit zu geben, ihm ein Weihnachtsgeschenk zu erstehen. Er wusste, dass Trueblood gern Sachen auf die heimliche Tour kaufte, nachdem er erfahren hatte, dass man von einem bestimmten Artikel besonders angetan war.
»Ich sehe mich hinten noch ein bisschen um, wenn es Ihnen nichts ausmacht, einen Moment zu warten.«
»Nein, nein, gehen Sie nur«, sagte Trueblood, »dort hinten sind ein paar besonders hübsche.«
Als Melrose sich umdrehte, war Trueblood bereits ins Gespräch mit der Verkäuferin vertieft, die nickte und lächelte, Si, si. Melrose ließ genügend Zeit für die vorn stattfindende Transaktion verstreichen. Sie kamen aus dem Geschäft und er musste schmunzeln, als er sah, wie Trueblood das letzte flache Päckchen unter die Schnur um sein Gemälde klemmte.
Eigentlich schämte sich Melrose ein wenig und beschloss, künftig seinem Freund wegen herausragender Experten oder Autoritäten nicht mehr so die Hölle heiß zu machen.
24
Fest entschlossen, in Rekordzeit zu Pietro Di Bada zu gelangen, wies Trueblood Melrose an, die Autobahn zu nehmen, ein Ansinnen, das von Melrose im Keim erstickt wurde, der meinte, wenn er überhaupt hinfuhr, dann wollte er auch die toskanische Landschaft sehen, und zwar nicht vom Gehetze einer Autobahn aus.
»Ach, dann werden Sie bestimmt anhalten wollen«, moserte Trueblood.
»Nein, werde ich nicht.«
Würde er natürlich, weshalb er auch darauf bestanden hatte, am Steuer zu sitzen. Und tat er, als er in der Ferne das auf einem Hügel gelegene San Gimignano erblickte. Melrose fand den Namen einfach herrlich und übte immer wieder, um den Akzent richtig hinzukriegen (»San Tschi-min-jano, San Tschi-min-jano«). Die spitz wie Nadeln aufragenden, in Sonnenlicht getauchten Türme, von denen einige fast vollständig von Kletterpflanzen und Blumen eingehüllt waren, die feudalen Gemäuer und schmalen Fenster, der mittelalterliche Stein - das alles war unwiderstehlich.
Trueblood las aus seinem Reiseführer vor. »Früher gab es hier etwa vierhundert Türme. Jetzt sind es nur noch etwa siebzig. Was ist aus den anderen geworden?« »Geht es denn darum überhaupt? Ich meine, was aus ihnen geworden ist, darum geht's in dieser Stadt doch überhaupt nicht.« Melrose brachte den Wagen auf dem Parkplatz zum Stehen, und schwer atmend mühten sie sich die Stufen zu der kopfsteingepflasterten Straße hoch und gingen weiter bergan. Sie fanden eine kleine Trattoria, wo sie sich zu Mittag an Bruschetta, Crostini und Wein gütlich taten. Melrose stieß an die Grenzen seiner Italienischkenntnisse, als er nach der lista dei vini und nach acqua minerale verlangte und wie immer passen musste, als der Ober (beeindruckt von der Sprachbeherrschung der Beiden) selbst etwas beitrug: »Gassata o naturale?«
Melrose reagierte mit gleichgültigem Schulterzucken. In Florenz nahm Trueblood immer nur Gin und Tonic, weil man da bei der Bestellung nichts falsch machen konnte. Schließlich hatten sie sich ja nie für Linguisten ausgegeben, oder?, meinte Trueblood nur dazu und bestellte sich wieder gin tonic.
Das Mittagessen war einfach und gut - was war hier eigentlich nicht gut? -, und danach schlenderten sie weiter den Hügel hinauf, bis sie an eine Piazza mit einer bezaubernden Kirche kamen. Sie überquerten den Platz und standen plötzlich vor dem Foltermuseum. Das war nun etwas ganz nach Melrose' Geschmack! Als sie sich per Eintrittskarte hineinbegeben hatten, waren sie offenbar die einzigen Folterenthusiasten, denn im ersten Raum war sonst niemand. Sie blieben vor einem Schauobjekt stehen, einer Art Eisenhelm, der, über den Kopf gestülpt, den Mund verschloss. Frauen, die sich die Zeit mit besonderer Schwatzhaftigkeit vertrieben, mussten dafür teuer bezahlen.
Im nächsten Raum, wo es erst richtig losging, lief ein zehnoder elfjähriger Junge mit einem gelato herum, und Melrose fragte sich, wie er die tropfende Eistüte wohl hereingeschmuggelt hatte. Der Junge stand, inbrünstig sein Eis schleckend, vor der eisernen Jungfrau.
Während Trueblood sich verkrümelte und wie in Trance in den verschiedenen Räumen umherwanderte, folgte Melrose dem Jungen. Es gefiel ihm, wie der Bursche die Funktionsweise jeder Gerätschaft
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