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Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Vertreibung aus dem Paradies gesehen, aber nie derart ausdrucksvoll. Evas Ausdruck war besonders gequält: der Mund schmerzverzerrt, die Augenlider geschlossen und nach unten gezogen, als wäre sie soeben geblendet worden. Es waren zahlreiche Szenen aus dem Leben des Hl. Petrus dargestellt: der Zinsgroschen, die Heilung der Kranken durch seinen Schatten. »Ist das nicht zum Teil von Masolino gemalt? Sagten Sie nicht, die beiden hätten zusammen gearbeitet?« Melrose sah hinüber auf die andere Seite des Hl. Petrus, der da einen von den Toten auferweckte, er war sich nicht sicher, wen, und auf eine weitere Vertreibung aus dem Paradies. »In der Tat. Offenbar wurde diese Darstellung von einem anderen Maler gemalt; alles ist ganz anders.«
    Die beiden Gestalten wirkten vollkommen ruhig und gesetzt. »Das ist eine traditionelle Darstellung.«
    Trueblood nickte. »Das ist der Unterschied zwischen ihnen.« Er stand gute zwanzig Minuten da und starrte wie gebannt auf die Fresken, ging dann weitere zehn Minuten davor auf und ab, während Melrose umherschlenderte, oben am Kirchenschiff stehen blieb und überlegte, was wohl passieren würde, wenn er sich ein bisschen Weihwasser ins Gesicht spritzte. Womöglich würde ihn ein Blitzstrahl treffen.
    »Los, es ist Zeit!«, rief Trueblood und packte sein Gemälde wieder ein - schön warm, als würden sie gleich in einen russischen Winter hinausgetrieben.
    Aldo Luzi wohnte im Stadtteil Oltrarno in einem abblätternden Steinbau in einer Sackgasse, die parallel zum Fluss verlief. Die Wohnung nahm die gesamte obere Etage ein und war exquisit renoviert und luxuriös eingerichtet. Sofas, Sessel und Schemelchen waren mit einer Vielfalt von Stoffen wie Damast, Samt, Seide und Brokat bezogen.
    Da Signore Luzi Gelehrter war, hatte Melrose ein kleines, heruntergekommenes Zimmerchen erwartet, überquellend mit Büchern, mehr als die Bücherregale halten konnten. Büchern, zu Stapeln aufgetürmt und über den abgewetzten Teppich ausgebreitet, mit verschieden hohen Türmen aus Zeitungen und Zeitschriften. Das Zimmer müsste eigentlich so vollgestopft aussehen wie der Intellekt des Mannes, haufenweise Vierteljahresschriften und Journale müssten haufenweise Intelligenz widerspiegeln. Dazu vielleicht noch eine Eule auf einem verstaubten Kaminsims. So etwas in der Art.
    Auch Signore Luzi passte nicht zu Melrose' vorgefasster Vorstellung von einer Koryphäe in seinem Fach. Erstens war er zu jung (Ende dreißig? Anfang vierzig?); zweitens sah er zu gut aus (wo waren der krumme Rücken, der verhangene Blick, die Brille, das wirre graue Haar?); drittens war er, auch für einen informellen Anlass, zu gut gekleidet. Das blaue Hemd stammte zweifellos vom Designer, der Schal war von Hermes. Mochte sein Geist viel leicht nicht in diese prächtige Umgebung passen, sein Körper tat es jedenfalls.
    Sie wurden gebeten, in dem geräumigen Wohnzimmer Platz zu nehmen, Melrose auf einer Wolke aus dunkelgrünem Damast, Trueblood auf der dazu passenden dunkelblauen Zwillingswolke. Den üblichen Smalltalk hatten sie sich zu Melrose' großer Freude geschenkt, um gleich zur Sache zu kommen. Das einzige Zugeständnis an übliche Formalitäten war der Espresso, den Luzi kredenzt hatte. Jetzt stellte er seine Tasse auf dem blank polierten Beistelltischchen ab, um sich Truebloods Gemälde zuzuwenden.
    Während Trueblood erzählte, wie er dieses Tafelbild erworben hatte, hielt Luzi den Blick auf das Bild geheftet und nickte. Er hatte einen schwarzen Schnurrbart, an dem er gelegentlich nachdenklich zupfte.
    Eine Weile sagte Luzi gar nichts, sondern ließ den Blick durch den Raum schweifen, als sei er sich nicht ganz schlüssig, ob er die Wohnung kaufen sollte. Melrose betrachtete die mit Gemälden bedeckten Wände seines Gastgebers. Es handelte sich vornehmlich um Werke aus der Renaissance, doch seine Überraschung war groß, als er darunter eine von Stanley Spencers alptraumhaften Dorfszenen entdeckte. Etwas höher hing das Bild eines Mannes, der den Kopf geneigt hielt, splitternackt war und aussah, als würde er zu Tode gesteinigt. Möglicherweise ein Lucian Freud. Dann das verträumte Gemälde eines Präraffaeliten, vielleicht William Holman Hunt, denn es ähnelte seiner Ophelia. Es stellte eine junge Frau inmitten von Wildblumen dar, die von einem Windstoß gepeitscht hin und her wogten.
    Trueblood stellte sein Tässchen auf die Untertasse, und das klickende Geräusch holte Melrose unsanft aus seinen Träumen

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