Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz
Während Trueblood das Bild vorsichtig auswickelte, wollte Di Bada von Melrose wissen: »Waren Sie schon einmal in Siena? Nein«, beantwortete er sich die Frage selbst. »Mögen Sie Firenze? Si, si, Firenze, wer würde es nicht lieben? Ich will Ihnen sagen, wer. Wir, die Sienesen! Ich erzähle ihnen eine kleine Geschichte über den Schwarzen Tod, ist sehr witzig.«
Melrose lachte bereits.
»Im vierzehnten Jahrhundert war einer unserer Hauptbrunnen die Fönte Gais. Eine Gruppe von Sienesen fand eine Venusstatue, grub sie aus und stellte sie in die Mitte von dem Brunnen. Dann kam der Schwarze Tod, und die Priester und Wahrsager behaupteten, die heidnische Statue dort sei schuld dran. Eines Nachts also kam ein Grüppchen Leute, als Bauern verkleidet, stahl sie, schlug sie in Stücke und vergrub die Reste in Florentiner Boden, damit der Schwarze Tod weiter nach Firenze zog.« Hier ertönte wieder dieses schluckaufartige, schnaubende Lachen, das den alten Mann wie eine Schüssel Götterspeise erzittern ließ. Signor Di Bada schien immer kurz davor, in Lachen auszubrechen. Für ihn war jeder Witz oder Streich, ob nun gut oder schlecht, besser als überhaupt kein Witz.
»Ach, das Tafelbild, das Sie mitgebracht haben -« Er stellte es auf den Boden, hielt es mit ausgestrecktem Arm vor sich hin. »Hmpf! Sieht aus, als wäre es Teil eines Triptychons -« »Polyptychons«, sagte Trueblood, eifrig bemüht, die Identifizierung zügig voranzutreiben.
Dichte Augenbrauen schwebten über schwarzgeränderten Brillengläsern, während Di Bada Trueblood durchdringend musterte. »Wenn Sie so viel wissen, mein Freund, warum kommen Sie dann zu mir?«
Trueblood rieb sich die Hände in der Luft und sagte: »Nein, nein, nein. Verzeihung. Ich meinte nur, diese Antiquitätenhändlerin deutete mir gegenüber an, es könnte sich vielleicht um einen Teil des Pisa-Polyptychons handeln... möglicherweise?«
Di Bada lehnte das Tafelbild gegen die Schreibtischkante und legte seine Patschhändchen verschränkt darauf. Er schüttelte langsam den Kopf hin und her, offenbar verwundert über Truebloods Torheit.
»Signor Trueblood, ist Ihnen eigentlich klar, dass Sie ein Idiot sind? Oh, es stimmt, es ist wahr, dass fast ein Dutzend verschiedene Teile dieses Polyptychons aufgetaucht sind, aber nur in alten Kirchen -«
»Ich glaube, sie sagte, dort hätte sie es auch gefunden. In der Kirche von San Giovanni Valdarno.« Di Bada streckte ihm die Handfläche entgegen, als wollte er diese Absurdität weit von sich weisen, und sagte: »Das ist Masaccios Geburtsort. Dass ein so bedeutendes Gemälde in der Kirche übersehen werden könnte? Jahrhundertelang?« Di Bada klappte mit den Händen, als wollte er sie alle beide vertreiben. »Signor Trueblood, das ist absurd.«
»Aber kommt es denn nicht vor, dass Sachen manchmal so gefunden werden?«, wandte T rueblood ein. »Dass die richtige Person zur richtigen Zeit am richtigen Ort war? Mehrere Stücke aus dem Pisa-Polyptychon wurden auf diese Weise gefunden, nicht wahr?«
Di Bada wischte die Worte beiseite, noch bevor Trueblood recht geendet hatte. »Ja, vielleicht, aber ich will Ihnen sagen, nicht von jemandem in einer Kunstgalerie. Fahren Sie nach Pisa? Nein. Schade, dass der Hl. Paulus im Museo Nazionale hängt. Man war wohl besorgt um seine Sicherheit. Sie haben in Ihrem Land, in London, das Mittelstück des Altarbilds: Madonna mit dem Kinde.
Und in Berlin müssen noch vier oder fünf Tafelbilder sein und die Predella von St. Julian, dann eins in Neapel und noch ein Teil in dieser Stadt in Kalifornien, deren Namen sich keiner merken kann. Nein, Signor Trueblood, ich fürchte, man hat Sie -« er tippte sich mit dem Finger an die Schläfe »- wie sagt man ? angeschmiert, ah ja. Angeschmiert.«
Melrose, der nie gedacht hätte, dass er sich einmal für Masaccio einsetzen würde, nach all dem Ärger, den dieser ihm bereitet hatte, war nun doch etwas irritiert über Di Bada, der sich viel mehr mit sich selbst befasste als mit dem Tafelbild.
Als könnte er Melrose' Hirnströmungen deuten, schob Di Bada seine Brille hoch und hielt sich das Bild so dicht vors Gesicht, dass er es fast mit der Nasenspitze berührte.
»Masaccio. Hmpf!«
Melrose deutete das »Hmpf!« nicht als Zeichen dafür, dass sie entlassen waren, sondern als Ausdruck der Neugier. Er sah, wie Di Bada aufstand, an eines der vielen Bücherregale hinüberging, einen verstaubt aussehenden Band herunterholte und ihn durchblätterte.
»Masaccio
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