Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz
seien Sie stolz auf sich, obwohl ich bezweifle, dass Sie es um der Tugend Lohn tun. Ich habe ein paarmal versucht aufzuhören und es nie geschafft.«
»Und haben Sie sich dagegen entschieden?«
Sie war verwirrt. »Wogegen... ach, Sie meinen, im Lodge unverhofft anderen Leuten in die Arme zu laufen?« Sie lachte wieder. »Wenn Sie damit Kitty Riordin meinen, ja. Maisie mag ich übrigens auch nicht besonders.« Sie musterte Jury, als hätte seine Frage sie etwas verwirrt.
»Wahrscheinlich bin ich deshalb hier und nicht dort.«
»Sie haben sich mit Mrs. Riordin nicht verstanden.«
»Ich fand sie schon immer kalt wie eine Hundeschnauze. Es überrascht mich eigentlich, dass Oliver nicht allmählich genug von ihr hat.« Sie zuckte die Achseln. »Na ja, er hat sich wohl daran gewöhnt, dass sie da ist. Oliver ist ein sehr guter Menschenkenner. War mein Vater auch. Er hatte Format, das hat Oliver auch. Ich glaube aber nicht, dass es etwas mit Reichtum und Macht zu tun hat - und glauben Sie mir, beides hat Oliver im Überfluss. Ich glaube, es hat eher mit Ehrlichkeit zu tun. Die beiden waren - sind - grundehrliche Menschen. Und vielleicht haben wir alle etwas davon geerbt. Hoffe ich jedenfalls.«
»Sie schon.«
Emily saß in ihrem Schaukelstuhl und rauchte. Ganz entspannt, fand Jury. Wenn ihr etwas im Leben gegen den Strich ging, würde sie das nicht einfach so hinnehmen; sie würde etwas dagegen tun.
»Wenn er jedoch zwischen Ihnen und Kitty Riordin wählen müsste, würde er sich nicht für sie entscheiden, oder?«
»Nein. Mit dem allem wollte ich ihn aber nicht belasten. Er ist schließlich sechs- oder siebenundneunzig. Ein außergewöhnlicher Mensch! Und obwohl ich das Lodge mag und schon immer gemocht habe, beschloss ich, es hier einmal zu probieren.« Sie betrachtete Wände und Decke, als sähe sie ihre Umgebung zum ersten Mal. »Sie möchten etwas über Simon erfahren, kann ich mir denken.«
»Ich will über alle etwas erfahren.«
»Ja, natürlich. Wissen Sie, ich habe mich mit Simon immer gut verstanden. Sie dürfen nicht vergessen, ich war einige Jahre älter als Simon und Marie-France, ich war achtzehn, also eher in Alexandras Alter. Wir standen uns ziemlich nahe, Alex und ich. Deshalb hat sie sich mir wohl anvertraut. Wussten Sie, dass sie noch ein Kind hatte? Ich weiß nicht, ob sie es sonst noch jemandem erzählt hat. Vielleicht Kitty, denn mit Kitty war sie sehr verbunden, weil die sich um Maisie kümmerte. Ich weiß aber sicher, dass sie Oliver von ihrem Entschluss erzählte, eine Reise über den Ärmelkanal zu machen.« Emily lachte. »Ich frage mich, wie viele solche Reisen wegen unehelicher Babys gemacht werden.«
»War es nicht von Ralph Herrick?«
»O nein. Das war kurz bevor Ralph auf der Bildfläche erschien. Am darauf folgenden Weihnachten heirateten sie, und gleich danach wurde Alexandra schwanger. Ich war immer der Meinung, aus Trauer darüber, dass sie das erste Kind hergeben musste, wollte sie sofort wieder eins haben.«
»Hat sie Ihnen nicht gesagt, wer der Vater des ersten Babys war?«
Emily schüttelte den Kopf.
»Erzählen Sie mir von Ralph Herrick.«
Sie warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Ach, Ralph. Ja, ich fragte mich schon, wann ihn jemand aufs Tapet bringen würde. Simon und Ian vergötterten ihn geradezu, kein Wunder. Ein gut aussehender Flieger, ein Held. Wie geschaffen zur Heldenverehrung. Na ja, Simon war damals -wie alt? Zehn oder elf? - Da ist so was doch verständlich.«
»Sie bewunderten Ralph Herrick aber nicht so sehr wie die anderen?«
»Nicht einmal wegen des Viktoriakreuzes, Superintendent. Ich gebe zu, er war kühn, >verwegen< ist vielleicht der bessere Ausdruck. Ich war schon immer ein ziemlich nüchterner Mensch, nicht sehr fantasievoll. Wie gesagt, ich bewunderte Oliver Tynedale und meinen Vater, weil sie Ehrlichkeit schätzten. Bei Ralph war das anders.« Sie drückte ihre Zigarette in einem Aschenbecher aus dünnem Aluminium aus und fuhr fort: »Ich habe wirklich versucht, Alex zu warnen, aber sie wollte nicht hören. Hätte ich umgekehrt wohl auch nicht.« Sie seufzte. »Arme Alexandra! Ich glaube, in dem einen Jahr, das sie verheiratet waren, hat er sich kaum ein halbes Dutzend Mal blicken lassen. Wenn er öfter da gewesen wäre, hätte sie sicher gemerkt, dass an ihm nichts dran ist. Er war so leicht durchschaubar. Bei allzu glatten Menschen bin ich immer misstrauisch. Was mir allerdings nicht in den Kopf will, ist, dass Oliver und Dad sich so
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