Grimes, Martha - Inspektor Jury 17 - Die Trauer trägt Schwarz
leicht überrumpeln ließen. Sie waren sonst so nüchtern, da hätte ich gedacht, sie würden aufpassen bei so einem, der einen an die alten Gangster aus dem Chicago der zwanziger Jahre erinnert, einer von diesen glatten Gaunertypen, die man aus alten amerikanischen Filmen kennt.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ralph hätte einen erbärmlichen Vater abgegeben. Er hatte nun einmal kein Talent dazu.«
»Und was ist mit Maisie?«
»Gut, ich mag sie nicht besonders, schließlich hatte sie es so eingefädelt, dass ich schließlich wegging. Hatte jedenfalls daran mitgewirkt. Ich glaube, wenn es um Kitty Riordin geht, macht sie sich etwas vor.«
Jury wollte ihr keine Worte in den Mund legen. Er lehnte sich zurück. »Verzeihen Sie meine Neugier - es gibt auch einen Grund dafür -, aber wurde Kitty Riordin von Mr. Croft in irgendeiner Weise testamentarisch bedacht?«
»Nein. Sein Testament enthielt keinerlei Überraschungen, Superintendent. Der größte Teil seines Geldes und sein Besitz gehen an meine Schwester und mich. Ian und Maisie bekamen etwas zugesprochen und - das fand ich übrigens sehr lieb -auch Mrs. MacLeish. Ich habe gehört, dass sie Simons Leichnam gefunden hat, die Ärmste. Sie wissen natürlich, dass sie ab und zu für ihn gekocht hat. Ach ja, und für Gemma Trimm hat Simon auf einem Treuhandkonto auch etwas Geld hinterlassen. Das fand ich nett von ihm, vor allem, wenn man bedenkt, was Gemma voraussichtlich einmal von Oliver erben wird. Simon war eben ein sehr großzügiger Mensch. Das war mein Vater allerdings auch, und Oliver. Aber was das Testament betrifft, nein, wie ich schon sagte, da gab es keine Überraschungen.«
Eigentlich wusste er es schon, weil Mickey es herausbekommen hatte. Jury wollte einfach hören, was Emily Croft über das Testament zu sagen hatte. Er wartete. Als nichts weiter kam, sagte er: »Wie ich höre, fahren Sie öfter einmal nach London.«
»Ja. Das gehört zu den angenehmen Dingen, wenn man Geld hat, Mr. Jury. Man braucht sein Leben nicht ständig völlig umzukrempeln. Ich musste meine Wohnung nicht verkaufen, um hier wohnen zu können. Ach so - zielt Ihre Frage darauf ab, ob ich an dem Tag, als Simon erschossen wurde, in London war?« Ihr Lächeln wirkte traurig.
»Waren Sie dort?«
»Ja, das war ich in der Tat. Ich kam am frühen Nachmittag an, ich wollte Weihnachtseinkäufe erledigen. Ich blieb zwar über Nacht, erhielt die Nachricht von Simons Tod aber erst am nächsten Abend, nachdem ich wieder hier war. Ich war einfach zu erschöpft, um gleich wieder umzukehren. Mein Arzt hatte mich sowieso nicht nach London fahren lassen wollen.«
Jury nickte. Das war kein Alibi, jedenfalls vorab nicht. »Was ist mit dem Haus Ihres Bruders, Miss Croft? Sie und Ihre Schwester haben es geerbt, nehme ich an.«
Sie wandte den Kopf zum Fenster und starrte reglos hinaus. Dann sagte sie kummervoll: »Ja. Aber darin wohnen wird wohl keine von uns. Wissen Sie, Superintendent, wenn man alt wird, dann hat man keine Lust mehr auf Veränderungen.«
»Werden Sie es verkaufen?«
Sie sah ihn lange an, musterte ihn von Kopf bis Fuß.
»Tragen Sie sich etwa mit dem Gedanken, als Nebenberuf ins Immobiliengeschäft einzusteigen?«
Jury brach in Lachen aus. Es war das erste Mal seit Beginn dieses Falls, dass er so richtig gelacht hatte, stellte er fest.
»Wäre ich denn ein guter Makler?«
»Ach, wahrscheinlich nicht. Sie scheinen sich nur sehr darum zu sorgen, was aus Wohnungen und Häusern wird, als ob das ein Nebenberuf von Ihnen wäre.« Nun musste sie selbst lachen. »Nein, wir werden es nicht verkaufen. Ich will Simon nicht völlig verlieren. Wie gesagt, das ist das Angenehme am Geld. Man kann die Dinge so belassen, wie sie waren.«
»Eigentlich nicht wirklich.«
Wieder sah sie ihn lange an, diesmal war ihr Blick voller Mitgefühl. »Der Tod weilt immer unter uns, Mr. Jury. Immer.« Sie lächelte. »>Der Bursche im weißen Nachthemd<, so nannte ihn W.C. Fields einmal. Mir gefällt dieses Bild sehr, obwohl ich ihm nicht zustimme. Es ist kein helles, leuchtendes Gewand. Der Tod kommt in den gleichen alten Kleidern, sie sind nicht neu, nicht anders als die, die wir gewohnt sind zu sehen. Und wir sehen ihn tatsächlich, die ganze Zeit, und wissen es und versuchen ihm auszuweichen. Ich finde es tröstlich, dass der Tod keine Überraschungen birgt.« Sie sah ihn gütig an. »Merken Sie sich das gut, Superintendent. In Ihrer Branche täten Sie gut daran, es sich gut zu merken.«
Ihr
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