Grimes, Martha - Inspektor Jury 20 - Inspektor Jury kommt auf den Hund NEU
ging auf, und sie fuhren hinein. Das Gebäude hatte wie das Einfahrtstor etwas Bedrohliches an sich. Falls dies hier vornehmlich eine Klinik für gestresste Menschen war, die eben ein wenig zu viel um die Ohren hatten, dann trug man hier eindeutig zu dick auf. Recht mittelalterlich und finster mutete alles an, mit den steinernen Zinnen auf dem Dach und ohne Stühle auf der weiten Rasenfläche. Es saßen auch keine Leute draußen, obwohl es ein recht freundlicher Tag war. Alles in grauem Stein mit einem Glockenturm.
Während sie unter einer mächtigen Eiche parkten, meinte Jury: »Auf mich wirkt das hier wie eine ganz andere Art von Anstalt, Sie wissen schon, eine von denen, wo man es nicht gern sieht, wenn jemand sich selbst entlässt und nach Hause geht. Sie verstehen.«
»O ja. Aber ganz so einschüchternd, wie Sie denken, ist es nicht.«
Jury nickte beiläufig, während sie aus dem Wagen stiegen. Harry tätschelte Mungo und sagte, sie kämen bald wieder. Mungo gab ein paar kehlige Laute von sich, nicht, um ihnen zu verstehen zu geben, er würde sie vermissen, sondern bestimmt, weil er glaubte, nun carte blanche zu haben. Sie gingen um einen kleinen weißen Bus herum, der seitlich aufgemalt den Namen STODDARD trug - nicht KLINIK -, möglicherweise ein Hinweis darauf, dass diese Einrichtung schon so lange existierte, dass sie nicht näher gekennzeichnet zu werden brauchte.
Harry sagte: »Ich hatte hier vor einiger Zeit auch noch eine andere Freundin, die nach erfolgreicher Therapie wieder wegging. Hugh ist ja kein Gefangener. Hören Sie: Manchmal will Hugh über das reden, was passiert ist, ein andermal nicht. Er bringt das Thema jedenfalls nicht immer zur Sprache. Ich überlasse es ihm, wie er es handhaben will. Sie können sich vorstellen... « Jury nickte, konnte es sich aber natürlich nicht vorstellen. Ebenso wenig wie er sich vorstellen konnte, damit zu leben, mit etwas, das einem nicht aus dem Kopf ging.
Von innen war Stoddard ebenso beeindruckend wie von außen. Innen besaß es im Gegensatz zu dem kalten Äußeren eine gewisse Wärme, die von den diversen Kaminfeuern, geblümten bronzebraunen Tapeten und blank polierten Mahagonigeländern herrührte. Links und rechts der geräumigen Eingangshalle befanden sich offenbar zwei Salons oder Empfangsräume, die als Wartezimmer dienten. Eine Frau und zwei Männer standen in der Mitte des Raumes zur Rechten und lachten. Jury fragte sich, ob wohl einer von ihnen hier Patient war, den die beiden anderen besuchen gekommen waren, und fand das Grüppchen etwas zu ausgelassen. Die Frau beugte sich hinunter, um einem irischen Wolfshund den Kopf zu streicheln. Diese Hunderasse hatte Jury schon immer etwas lächerlich gefunden, obwohl er nicht recht sagen konnte, warum eigentlich.
Bei ihrem Eintreten wurde Harry von einer Krankenschwester, die er beim Namen nannte - Mary oder Merle - herzlich begrüßt. Unter fröhlichem Schwatzen ging sie mit ihm zum Empfangsschalter hinüber, wo die elegant gekleidete Rezeptionistin mit dem schwarzen Bubikopf ebenso freundlich reagierte wie die Schwester. Harry hatte Hugh Gault wohl schon recht häufig besucht und kam mit dem Personal bestens zurecht.
Ein Mann war die breite Treppe heruntergekommen, stand nun in der Empfangshalle und blickte suchend zwischen den Räumen hin und her. Jury überlegte, ob es sich wohl um Hugh Gault handelte. Der arme Kerl schien etwas überfordert. Eine Pflegerin trat hinter dem Empfangsschalter hervor und geleitete ihn lächelnd in den anderen Raum, wo sich alle rührend um ihn bemühten, inklusive der Wolfshund, der ihn beinahe umstieß.
Demnach musste Hugh Gault derjenige sein, der in diesem Moment den anderen Salon betrat. Hochgewachsen und etwas dünn, sah er aber nicht so aus, als ob sein »Zustand« schuld an seiner Magerkeit wäre. Er begrüßte Harry, wurde mit Jury bekannt gemacht und ließ sich in einem der tiefen Sessel neben dem Kaminfeuer nieder. Harry und Jury nahmen in den zwei Sesseln ihm gegenüber Platz. Der Raum war angenehmerweise nur schwach beleuchtet. Jemand vom Pflegepersonal schwor anscheinend auf sanfte Raumbeleuchtung, und Jury fragte sich, warum. Weil es einen besseren Eindruck machte? Weil mildes Licht der sanften Pflege förderlicher war? Was auch der Grund war, die Wirkung war jedenfalls äußerst angenehm, ja, sogar gemütlich. Die im Kaminfeuer züngelnden Flammen verliehen dem Ambiente etwas Glamouröses, eher wie in einem teuren Landhotel. Vielleicht wurde eine
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