Grimes, Martha - Inspektor Jury 20 - Inspektor Jury kommt auf den Hund NEU
Weile von dir abgelenkt.«
Sie verdrehte die Augen, als wollte sie sagen, er müsste es eigentlich besser wissen. »Nein, ist sie nicht! Dann ziehen die nämlich alle über mich her.«
»Das ist ja schrecklich, aber« - Jury versuchte, die Situation irgendwie zu retten - »wenn Caroline die meiste Zeit damit verbringt, dich niederzumachen, ist dir da nicht schon mal der Gedanke gekommen, dass sie vielleicht furchtbar eifersüchtig ist?«
Ihr überraschter Gesichtsausdruck verriet, dass der Gedanke ihr noch nie gekommen war. »Wie meinen Sie das?« Jetzt kam sie mit den beiden Puppen, um sich neben ihn auf den Baumstumpf zu setzen.
Es handelte sich definitiv um ein Thema, zu dem man sich hinsetzen musste.
»Ich meine, wenn jemand total gegen jemand anderes ist, so dass sie diejenige ständig heruntermachen muss, dann heißt das doch normalerweise, dass sie das, was die andere hat, für sich begehrt.«
»Begehrt?« Ihre Augenbrauen hatten sich vor Verblüffung gekräuselt.
»Na, dass sie es will, dass sie es besitzen will, so wie man vielleicht von jemandem den Schmuck will oder die Kleider oder das Haus.« Jury ließ den Blick über die eintönige Märzlandschaft schweifen, in der sich Weiß-, Grau- und Brauntöne fast kunstvoll zu einem gleichförmigen Hintergrund für dieses klassizistische Haus und das dazugehörige Wäldchen, dicht und reglos, vermischten.
»Erinnerst du dich noch an den Tag letztes Jahr, als die Frau und ihr kleinfer Junge hier waren?« Sie zog der Puppe das Kleid glatt und nickte. »Der Junge - wie war der?«
»Der war nett. Wäre schön, wenn der mal wiederkäme. Aber dass die richtig hier wohnen, hätte ich nicht so gern. Weil ich dann nämlich selber nicht hierherkommen könnte, wann ich will.« Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Ich komm oft hierher. Darf ich aber eigentlich nicht.«
Jury senkte passend zur Feierlichkeit dieses Geständnisses ebenfalls die Stimme. »Und hast du sonst schon mal jemanden hier gesehen? Ich meine, außer dem Jungen und seiner Mutter? Und dem Mann auf der Terrasse?«
Sie nickte. »Die Dame, die sich anscheinend um das Haus kümmert.« Marjorie Bathous. »Die Maklerin?«
»Wahrscheinlich.« Sie zupfte an einem kaputten Knopf an Ooglis Mantel herum. »Die kommt her und stellt die Sachen auf dem Teetablett anders hin und wechselt manchmal die Bilder aus, und manchmal stellt sie einen Sessel woanders hin. Wieso, weiß ich auch nicht.«
Sie merkte nicht, dass sie damit zugab, viel Zeit im Haus zu verbringen. Jury lächelte. »Sie will wahrscheinlich bloß das Gefühl haben, dass hier Leute wohnen. Immobilienmakler tun manchmal so, als wären die von ihnen betreuten Objekte ihr eigenes Heim.« Er fragte sich, ob das stimmte; es schien jedenfalls nicht völlig abwegig zu sein. Dann sagte er: »Hältst du da drin denn manchmal ein Teestündchen?«
Sie zögerte. Vermutlich überlegte sie, ob er vertrauenswürdig war. »Naja... manchmal schon.«
»Na, dann halte aber gut die Augen offen nach Leuten hier, ja? Ich brauche nämlich vielleicht noch mehr Informationen.«
Nun lächelte sie richtig. »Augen offen halten kann ich. Von da oben.« Sie deutete auf eine Ulme, deren wirres unteres Astwerk jedem, der hinaufklettern wollte, guten Halt bot. Auch verliehen die moosbewachsenen Äste und das dichte Blätterkleid reichlich Deckung. Der Baum überragte die meisten anderen, Ahornbäume und Eichen.
»Da klettere ich gern rauf«, sagte sie. Und dann: »Ich glaub, ich muss jetzt gehen.«
»Ich auch. War nett, sich mit dir zu unterhalten.« Jury fiel plötzlich ein, dass er ja gar nicht wusste, wie sie hieß. »Du hast uns deinen
Namen gar nicht gesagt. Wie heißt du?«
»Tilda. Eigentlich Mathilda, aber man nennt mich Tilda.«
»Wie kommst du denn nach Hause, Tilda?«
Sie legte den Kopf schief. »Ich geh durch den Wald.«
Es gab da einmal eine Straße durch den Wald.
»Was ist los?«
»Was? Nichts. Ich musste nur gerade an eine Gedichtzeile denken.« »Die ist traurig, glaub ich.«
Er nickte. »Das glaube ich auch.«
27
Die Stammgäste im Swan erinnerten sich noch an Jury. Er war ihre Unterhaltung, ihre kleine Varietenummer, die nun als Zugabe noch einmal erschienen war.
»Oho«, sagte einer von ihnen. »Jetzt wird's ernst, Kumpels. Clive, versteck schnell die Schiffsladung, die du aus Belfast gekriegt hast.«
»Ach, hör doch auf, Reggie«, erwiderte der Barmann. »Nächstens verpfeifst du mich noch wegen der Lieferung, die kürzlich für
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