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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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beschwert, die Wiggins gerade zur Hand gehabt hatte: ein kleiner Tonkrug, aus dem Jury ihn etwas löffelweise in seinen Tee hatte geben sehen; eine Dose mit Halspastillen zwischen den Seiten eines anderen Buches, ein Kohlekeks als Lesezeichen. In seiner augenblicklichen Lektüre hatte er mehrere Stellen mit Aspirin markiert.
    »Was ist das? Gray’s Anatomie?«
    Wiggins schenkte ihm ein zerknittertes Lächeln, widmete sich wieder seinem Buch und markierte eine weitere Seite mit einem kleinen Zylinder, der Jury ganz nach einem Räucherstäbchen aussah. Der Sergeant war so in seine Recherchen vertieft, daß ihn nichts zum Lachen bringen konnte.
    Jury griff nach dem Eingangskorb und sah den unordentlichen Haufen durch, als Wiggins höflich aufblickte und sagte, er habe mehrere Berichte zum Abzeichnen und was übrigens der Arzt sage?
    »Hmm? Das Übliche.« Jury unterschrieb zwei Papiere, die als »dringlich« markiert waren, und warf sie, zusammen mit der Hälfte von all dem anderen Kram, der sowieso nur den üblichen Büroumlauf machte, in den Ausgangskorb. Dann drehte er sich um und starrte aus dem Fenster ohne Aussicht und dachte über Charlie Raine nach. »Versuchen Sie, an die Band ranzukommen.«
    Wiggins warf ihm über den Schreibtisch hinweg einen erstaunten Blick zu. »Die Band?«
    »Sirocco. Sie wohnen im Ritz, oder?«
    »Ja.«
    »Ich möchte mich mit ihnen unterhalten - mit Jiminez.«
    Wiggins verzog gequält das Gesicht. »Nicht Schim-inez, Chim-in-ez. Chim.«
    »Hört sich an wie eine Halskrankheit. Rufen Sie das Hotel an. Richten Sie ihm aus, daß ich ihn sprechen möchte. Ist was?«
    »Nichts, Sir.« Das kam geradezu zackig heraus.
    »Sie brauchen nicht gleich zu salutieren.«
    »Die geben morgen aber ein Konzert.«
    »Na und? Die Rede ist von heute. Und Morpeth Duckworth und Mavis Crewes.«
    Wiggins blickte ihn fragend an. »Gibt es eine Verbindung zwischen Sirocco und den beiden?«
    »Nicht unbedingt.« Jury hatte bei sich beschlossen, Wiggins nichts von Charlie Raine zu erzählen. Er mußte auf Nummer Sicher gehen; je weniger Wiggins wußte, desto weniger würde Chief Superintendent Racer Neigung zeigen, ihn mit dem Spazierstock zu Brei zu schlagen, weil er in fremden Revieren wilderte. Meine Güte, was für ein bescheuerter Ausdruck. »Ich bin bloß ein Fan.« Jury lächelte. »Toll, was.«
    Dann drehte er sich wieder um und starrte den nackten Beton an, auf den das Fenster ging. Er dachte über das Lied nach. Er hatte einfach nicht mitgekriegt, was er da hörte. »Yesterday’s Rain«. Er stützte die Stim in die Hände und betrachtete die grauen Betonplatten des gegenüberliegenden Gebäudes.
    Er schaffte es nicht, Vergangenheit und Gegenwart auseinanderzuhalten. Es klappte nicht mit der Konzentration. »Yesterday’s sun ...« In Gedanken war er wieder in der Wohnung in der Fulham Road und in seinem ersten Leben mit seiner Mutter, das sechs Jahre gedauert hatte. Er kletterte wieder auf den Schemel und spähte durch ein Holzwurmloch in die Nachbarwohnung.
    Mit halbem Ohr hörte er Wiggins am Telefon und dachte, wie viele Lichtjahre vom Ritz entfernt er damals gewesen war. Einmal hatte er dort mit seiner Tante und seinem Onkel Tee getrunken, und der Luxus, die gleißenden Lichter, die dicken Teppiche und die Tänzer, die schwerelos über das polierte Parkett schwebten, hatten ihn schier überwältigt.
    »Er hat sechs gesagt.«
    »Was?« Jury war ganz in die Betrachtung der Streichholzflamme versunken, mit der er sich eine Zigarette anzünden wollte. »Wer hat was gesagt?«
    Wiggins sah ihn besorgt an. »Alvaro Jiminez. Sechs Uhr geht in Ordnung.«
    »Gut.«
    »Sie sehen sehr blaß aus. Sie sollten im Bett bleiben. Ich könnte Ihnen eine Liste von Medikamenten zusammenstellen, die Sie im Nu wieder auf die Beine bringen, Hauptsache, Sie hüten das Bett.«
    »Danke, aber jetzt nicht.«
    »Ich glaube, er hat recht, Sir.«
    »Wer hat recht? Drücken Sie sich weniger undurchsichtig aus.«
    »Commander Macalvie.«
    »Er würde Ihnen sicherlich beipflichten. Recht womit?«
    Wiggins deutete auf seine Bücherberge und vergaß auch nicht, zu einem Aspirin zu greifen. »Kopfschmerzen«, sagte er als Einleitung. »Mit der Knochenfuge. Man kann das Alter doch nicht eindeutig an der Knochenfuge feststellen.«
    Jury beugte sich über den Schreibtisch und kniff die Augen zusammen. Nicht, weil er Wiggins nicht glaubte, sondern weil ihn das grelle Licht der Lampe blendete. »Dennis Dench hat die ganze Wand voller

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