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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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mottenzerfressenen, bäurischen Tweedlook, den wirst du doch nicht los .«
    Er lächelte und verbiß sich die Frage, ob sie damit zum Ende ihrer Adjektivinflation gekommen sei, schlug statt dessen die Beine in den unerwähnten - maßgeschneiderten -grauen Kammgarnhosen übereinander, nahm eine apfelgrüne Serviette vom rosafarbenen Tischtuch und lehnte sich zurück, während Agatha Teddy von der bevorstehenden Italienreise erzählte.
    Melrose überlegte, wie er wohl Tee bestellen sollte, ohne den Mund aufzumachen (da kam auch schon der Ober), und ob jene dort wirklich die Frau war, die sie in York besucht hatten. Die Teddy von damals (Althea, wenn er sich recht entsann) war eine schwergewichtige, gedrungene Frau mit einem Kranz orangeroter Haare gewesen. Diese Teddy wirkte ein wenig hager und hatte offenbar dem Henna abgeschworen. Ihr blauschwarzes Haar war im Stil der zwanziger Jahre frisiert, nein, so wie sich ein beschränkter Friseur diesen Stil vorstellte: unzählige, naß aussehende Löckchen, die zerquetschten Weintrauben ähnelten.
    Und sie war auch nicht mehr die schlichte, alte Mrs. Stubbs, sondern hatte sich - lieber Himmel, anscheinend gab es sie wie Sand am Meer - einen Edelmann von irgendwo aus Südfrankreich zugelegt. De la Roche, so hieß sie jetzt. Gab es denn so reichlich ledige Prinzen, Grafen und spinnerte Könige, daß man sie wie reife Pflaumen von den Bäumen schütteln konnte? Dieser Gedankengang führte unweigerlich zu Graf Dracula Giopinno und daß Vivian ihn und Marshall Trueblood angeschrien hatte, sie müßte ja wohl noch Schläge dazu haben, wenn sie die beiden zu ihrer Hochzeit einladen würde - »Sir?«
    Ein Kellner mit weißer Jacke riß ihn roh von Vivians Schwelle weg, wo er hatte bleiben wollen, bis er schwarz wurde. Er war so überrumpelt, daß er fast geantwortet hätte. Doch er erwiderte lediglich das Lächeln des Kellners und erzielte damit das gewünschte Ergebnis.
    »Tee für drei, Sir?«
    Schließlich waren die Kellnerin einem Laden wie dem »Alten Schwan« darauf gedrillt, Wünsche zu erraten. Melrose nickte. Erst eine Speisekarte in Griechisch oder so etwas Ähnliches hätte eine echte Herausforderung bedeutet. Oder nein, doch nicht. Da brauchte er ja nur mit dem Finger zu zeigen.
    Der Kellner erwiderte das Nicken und sagte: »Das übliche Teegedeck? Oder bevorzugen Sie Sandwiches? Gebutterten Toast-?«
    Melrose genoß die kleine Herausforderung in vollen Zügen, bis der Kellner sagte: »Madame?« Verdammt noch mal, »Madame« würde seine ganzen dreißig Minuten - jetzt noch zweiundzwanzig - fürs Bestellen verbrauchen.
    »- Törtchen selbstverständlich. Haben Sie Sandwiches mit Wasserkresse? Ja, und dann noch Gurkensandwiches -«
    Teddy warf ein: »Du mußt unbedingt den Anchovistoast probieren, Liebes. Einfach köstlich.«
    »Sir«, sagte der Kellner des »Alten Schwan« und entschwante, als hätte Melrose die komplette Bestellung aufgegeben.
    Mit einem Blick auf seine Uhr erhöhte er den zeitlichen Spielraum auf alles in allem fünfundvierzig Minuten, so daß ihm noch einunddreißig Minuten blieben, in denen er ihnen vormachen mußte, er hätte geredet, auch wenn das nicht der Fall war.
    Im Vergleich dazu erschien ihm das Lösen des Kreuzworträtsels in der Times in weniger als fünfzehn Minuten richtiggehend fade. Bei weiterem Nachdenken ging ihm auf, daß Schauspieler genauso agierten: Bogart brauchte nur die Lippen zusammenzupressen, Cagney mit den Zähnen zu knirschen, Gielgud eine Braue zu heben und Gable - zum Teufel, wer erinnerte sich schon an ein einziges Wort von ihm?
    Und so grinste Melrose, zog Grimassen, griff zu, rutschte hin und her, lachte lautlos, beugte sich vor, lehnte sich zurück, schlug sich aufs Knie, winkelte die Ellbogen an, tat interessiert, und das einunddreißig Minuten, zwei Tassen Tee und einen schmalen Anchovistoast lang.
    Binnen einer halben Stunde hatte er sich zum brillanten Konversationspartner gemausert.
    Und während sie noch schwatzten und lachten, stand er auf, blickte betrübt drein, weil er gehen mußte, zog noch einmal Teddys Hand an seine Lippen und tätschelte Agatha zum Abschied doch tatsächlich die Schulter.
    Im Hinausgehen lächelte er in die Runde der Kellner und Gäste mit den steinernen Gesichtern und dachte noch einmal:
    Sieg!
    Er hatte die Sprache ad absurdum geführt.
    »Melrose!«
    Agatha posaunte hinter ihm her. Er blieb stehen und drehte sich um. Sie winkte ihn zurück.
    Na gut.
    Sie war geradezu huldvoll, als

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