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Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor

Titel: Grimes, Martha - Inspektor Jury geht übers Moor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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beschrieb ihm den Weg nach einem Dorf, wo es einen Tierarzt gab. Da sie nichts Besseres zu tun hatte, als herumzustehen und sein Auto anzugaffen, ließ sie sich mit der Wegbeschreibung reichlich Zeit.
    Die Tierklinik »Dein wahrer Freund« lag am Ende einer höllischen Straße voller Schlaglöcher, die vor einem klotzigen Würfel aus grauem Stein auf einen zwar geräumten, jedoch ebenso ausgefahrenen Flecken Erde mündete, den Parkplatz gewissermaßen. Dort standen ein Ford-Lieferwagen, ein Modell aus den Vierzigern, ein Mini Clubman Kombi, ein Jaguar und ein paar Fahrräder mit Drahtkörben. Inzwischen hatte strömender Regen eingesetzt. Er schlug den samtenen Mantelkragen hoch und sprintete zur wenig einladenden Tür des »Wahren Freundes«.
    Das Wartezimmer war mit drei Holzbänken möbliert, an jeder Wand eine, und mit einem Empfangstresen, hinter dem vor einem Stapel Aktendeckel eine müde aussehende Frau saß. Sie trug eine Brille mit Drahtgestell und eine Frisur, die wie ein Topfkratzer aussah.
    Melroses Erfahrungen mit Tierärzten hielten sich in Grenzen; er fragte sich jedoch, warum diese Praxen immer Namen wie »Tierhimmel« oder »Lieb & Nett« führten, wo sie im allgemeinen eher Gefängnissen glichen und die Sprechstundenhilfen Gefängniswärtern. Diese hier verkündete gleich, da er keinen Termin hätte, müsse er warten, bis die Stammkundschaft drangewesen sei. Nach ihrem Ton zu schließen, mißbilligte sie Laufkundschaft und seine durchweichte, recht laute Katze; alsdann bedeutete sie ihm, auf einer der Bänke Platz zu nehmen.
    Als ob die anderen Tiere friedlicher gewesen wären. Ein Bullterrier und ein Schäferhund zerrten an ihren Leinen und wetteiferten offenbar darum, wer als erster Melroses Knöchel erreichte. Ihr Herrchen, ein Mann mittleren Alters mit einem Gesicht wie eine Felswand, fuhr sie an, jedoch vergebens. Einer legte sich endlich, und der andere hockte angespannt da, beide knurrten, und der Bullterrier zeigte einer gescheckten Katze, die ein jüngeres Pärchen zwischen sich gequetscht hatte, die gefletschten Zähne.
    Am anderen Ende der Bank saß die Besitzerin des Jaguar (gar nicht zu verkennen); diese wiederum schien zu glauben, sie hätte so viele Stufen der gesellschaftlichen Leiter erklommen, daß man ohnehin nur noch ihre Fußsohlen von unten sehen und daß ihr der sabbernde Bullterrier nichts anhaben konnte. Sie war vom Scheitel bis zu Sohle auf Hochglanz getrimmt:    Chanel-Kostüm, zurückgeföntes, gesträhntes Haar und ein quengeliger Pudel, der die Schnauze gegen das Gitter eines Tragekorbs drückte, wie er für Flugreisen vorgeschrieben war. Sie gönnte Melrose jedoch einen raschen, anerkennenden Blick, fummelte an ihren Perlen herum und verrenkte sich den Hals, um die Motorhaube des Bentley besser in den Blick zu bekommen.
    Melrose nickte ihr kurz zu und nahm mit dem Korb auf der einzigen noch freien Bank Platz.
    Jäh flog die Tür auf und ließ Wind, Regen und ein kleines Mädchen ein, das in einem riesigen gelben Regenmantel mit Kapuze und in schwarzen Gummistiefeln steckte. Sie achtete nicht auf das blutrünstige Gejaule, mit dem Schäferhund und Bullterrier sie begrüßten, sondern stiefelte schnurstracks auf den Empfang zu.
    Gott sei Dank bedeutete die Sprechstundenhilfe dem Mann mit den Hunden endlich, er könne ins Sprechzimmer gehen, und der Schäferhund und der Bullterrier kauten und kratzten sich buchstäblich durchs Zimmer, wollten dem Mädchen an die Stiefel, doch der schien das gar nichts auszumachen, denn sie stellte ungerührt einen Pappkarton auf dem Boden ab. Der Deckel stand offen; der Karton schien leer zu sein, und Melrose nahm an, daß sie ihr Haustier abholen wollte. Da schöpfte er wieder Mut, denn bislang hatte er angesichts des in Intervallen auftretenden Gekreisches und Gejaules im Innern des Gebäudes seine Zweifel gehabt, ob überhaupt irgend etwas den »Wahren Freund« lebendig wieder verließ.
    Die abgespannte Sprechstundenhilfe fragte das Kind etwas. Melrose saß zu weit entfernt, um es genau mitzubekommen, aber »Termin« konnte er heraushören.
    Das Kinn des Mädchens reichte so eben an den Empfangstresen. Sie stand wie vom Donner gerührt. Nein, sagte sie und wollte etwas über den Doktor anfügen.
    Ungeduldig, wie häufig Erwachsene Kindern gegenüber sind, fragte die Sprechstundenhilfe: »Hast du dein Tier mitgebracht?«
    Das Mädchen hob die Stimme. »Nein -« Die Worte schienen ihr im Hals steckenzubleiben.
    »Weiter? Wie heißt

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