Grimes, Martha - Inspektor Jury gerät unter Verdacht
Jury, Alex habe es nicht gehört und sei mit den Gedanken immer noch bei den Briefen.
Alex sagte: »S-U-P-E-R-I-N-T. R. Jury. Ich weiß Bescheid.«
Wiggins erhob sich, streckte die Hand aus und versuchte es mit einem Scherz, was äußerst ungewöhnlich für ihn war. »S-G-T. Wiggins. Guten Tag.« Sie gaben sich die Hand.
Jury fand, daß Alex fürchterlich blaß aussah; sein Gesicht war so hell wie ein See nach dem Regen. »Was meinten Sie denn gerade mit den Karten?«
»Nichts.« Er sah Jury an, blickte dann aber weg. Eine ziemlich dürftige Lüge. »Ich wollte nur Großvater besuchen.« Er schob die Hände in die hinteren Hosentaschen. Er trug Jeans und einen ziemlich ramponierten Schafswollpullover.
»Ich glaube, ich gehe mal«, sagte Lady Cray, die während der gesamten Unterhaltung gestanden hatte. Jetzt schien sie den Eindruck zu haben, daß sie störte.
»Sie nicht, Alex«, sagte Jury und ging auf den Jungen zu, der sich umgedreht hatte und fast schon wieder ein Bein über
dem Fenstersims hatte. »Wenn es Ihnen paßt, würde ich gern mit Ihnen reden.«
Alex schien darüber nachzudenken. Dann nickte er nur.
Vierter Teil - Der Tod-gelaufen
»Sie waren mit meiner Mutter befreundet?«
»Ja«, sagte Jury.
»Sie hat es nicht gemacht. Sie hat nicht Selbstmord begangen. Das hätte sie nie getan.«
Er verteidigte sie geradezu aggressiv, fand Jury. Sie saßen im Wintergarten zwischen den eingetopften Palmen, den Gloxinien, den Hängepflanzen. Aus einer Kanne auf der Anrichte, die offensichtlich den ganzen Tag lang immer wieder aufgefüllt wurde, hatte Jury zwei Tassen Kaffee geholt.
Alex erzählte ihm, wie er die Medikamente seiner Mutter genau überprüft hatte. Und dann gab er ihm ein kleines Stück Papier.
»Was ist das?« Jury stellte seine Tasse auf dem Kachelfußboden ab.
»Eine Liste der Leute, die im Haus - hier oben, meine ich - waren, als Mum etwas von ihrer Medizin verloren hat. Jeder einzelne von ihnen hätte sie einstecken können. Und dann habe ich gedacht: Blödsinn. Ärzte, Schwestern. Sie kommen so schnell an Seconal, wie Fortune’s Son hundert Meter rennt.«
»Das stimmt.« Verzweifelt studierte Jury die Liste. Er wußte nicht, was er sagen sollte. Deshalb fragte er ihn nach dem »Packen Karten«.
»Es ist ein Traum. Er kommt immer wieder, wiederholt sich.« Alex erzählte Jury die Einzelheiten. »Ich wußte, in Mums Zimmer fehlte was, aber ich kam nicht drauf. Sie hatte diese Briefe in ihrer Nachttischschublade. Sie müssen wichtig gewesen sein.« Er hielt inne. »Ich verstehe die Herzdame nicht. Dr. Viner hat gesagt, daß es vielleicht damit zu tun hat, daß ich mich schuldig fühle, weil ich aus der Schule nach Hause geschickt worden bin.« Er sah Jury an. »Ich spiele Poker und bin erwischt worden. Und ich wette bei Pferderennen. Dabei bin ich auch erwischt worden.«
Jury wollte lachen. »Sie sind doch aber viel zu jung, um in Wettbüros zu kommen.«
»Wettbüros?« Er sah Jury verächtlich an. »Damit würde ich mich nicht abgeben. Ich spiele Gelaufene.«
»Was ist das?«
»Sie warten, bis das Rennen gelaufen ist und Sie wissen, wer gewonnen hat. Dann rufen Sie ihren Buchmacher an und wetten auf das Pferd. Aber natürlich prüfen die Buchmacher immer, wann das Rennen gestartet wurde, damit offiziell keine der Wetten eingeht, nachdem die Pferde die Startposition verlassen haben. Ganz blöd sind sie nicht. Aber sie sind geldgierig, wie die meisten Leute. Also muß man fix sein und den Buchmacher entsprechend vorbereiten. Verstehen Sie? Deshalb gibt man über einen langen Zeitraum telefonisch Wetten auf Außenseiter durch. Er nimmt die Wette erst an, wenn er das Rennen getimt hat, und weil es schon gelaufen ist, ruft er zurück und sagt entweder danke oder nein, danke. Und er geht davon aus, daß Sie sowieso nicht ganz dicht sind, weil Sie auf diese Außenseiter wetten. Sie müssen die Summen variieren - mal kleine, mal große -, um die große Wette vorzubereiten. Sie setzen gewagt, wirklich gewagt, aber dann variieren Sie auch das ein bißchen. Er denkt, er hat am anderen Ende der Leitung einen, der nichts von Pferden versteht und der bescheuert sein muß, weil er dauernd für Zwanzig- oder Dreißig-zu-eins-Quoten abschließt. Er überprüft immer, ob eventuell zu spät abgeschlossen worden ist. Endlich haben Sie ihn weichgekocht. Er ist völlig fertig, giftgrün vor Gier, und sähe nichts lieber als das wirklich große Geld.
Ich habe natürlich einen Partner, weil die Anrufe
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