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Grimes, Martha - Mordserfolg

Grimes, Martha - Mordserfolg

Titel: Grimes, Martha - Mordserfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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einigermaßen überrascht über Paul Giverneys bescheidenes Eingeständnis, nie im Old Hotel zugelassen worden zu sein. Manche Leute hatten versucht, die Regeln des Old Hotel zu umgehen, was schwierig war, weil niemand sie kannte.
    Ein paar Augenblicke standen Clive und Paul schweigend da und ließen es sich durch den Kopf gehen. Was waren die Regeln? Es war womöglich das einzige Mal, dass sie tatsächlich auf gleicher Wellenlänge lagen. Um Reichtum oder gesellschaftliche Stellung ging es nicht, auch nicht darum, aus welcher Familie man stammte. Um Politik? Auch nicht. Manchmal gab es einen prominenten Politiker, manchmal ein Schlitzohr, manchmal beides in einem. Die brennende Frage während der Serie von Attacken gegen Clinton lautete nicht: Soll gegen den Big Creep ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet werden, sondern – hatte es der B.C. jemals ins Old Hotel geschafft? Das Gerücht ging, er hatte nicht.
    »Vielleicht«, sagte Paul, »gelten dort die Gesetze der Chaostheorie.«
    Clive hatte, jedenfalls vor der Giverney-Geschichte, nie zur Selbstreflexion geneigt. Wenn etwas von außen gut aussah, dann zog er es nicht in Zweifel. Nun aber spekulierte er: Galten im Old Hotel tatsächlich die Gesetze der Chaostheorie? »Wirklich sehr seltsam.«
    »Seltsam – allerdings«, sagte Paul Giverney, und schon war er verschwunden.

 
38
     
    »Er will dich wirklich als Lektor haben.«
    Tom Kidd konnte Jimmy McKinney zwar gut leiden, aber so gut auch wieder nicht, dass er sich bereit erklären würde, Paul Giverneys Lektor zu werden. »Ach, hör auf, Jimmy. Da könntest du mich genauso gut drum bitten, Dwight Staines oder Rita Aristedes zu redigieren.«
    Rita war eine Autorin, die einen Lektor, der ihr den Kopf gerade rückte, so bitter nötig hatte, dass Bobby nur Peter Genero, den Retter aussichtsloser Sachen, dazu bewegen konnte. Dabei erklärte sich Peter Genero nicht etwa aus reiner Mitmenschlichkeit dazu bereit, sondern weil er überzeugt war, alles zu können, inklusive Rita zu redigieren.
    »Ach, hör du doch auf, Tom! Du weißt, das ist überhaupt kein Vergleich.«
    »Oh doch, oh doch. Alle drei Autoren verkaufen sich spitzenmäßig. Glaubst du etwa, Bobby würde Rita behalten, wenn ihre Bücher sich nicht absolut super verkaufen würden?«
    Jimmy nickte. »Okay, das gebe ich zu. Aber dir ist doch wohl klar, dass Paul Giverney ein viel besserer Schriftsteller ist.«
    Toms Lachen klang abgehackt. »Das will nicht viel heißen.«
    »Hast du sein neuestes Buch gelesen?«
    »Klingt es so, als ob ich sein neuestes Buch gelesen hätte?«
    »Nein.« Jimmy lachte.
    »Also, was in drei Teufels Namen ist passiert, dass Mort dir Giverney überlassen hat?«
    Jimmy war sich nicht sicher, wie viel er von dem ausplaudern sollte, was sich zwischen Paul und ihm abgespielt hatte. Er ließ den Blick über die Bücher schweifen, die Tom überall aufgestapelt hatte. An zwei Wänden entlang standen Bücherregale, vom Fußboden bis zur Decke, und selbst die reichten nicht aus. Auf dem Boden, auf dem Schreibtisch, auf dem breiten Fensterbrett waren Bücher aufgetürmt. Er dachte an sein eigenes ordentliches Büro zu Hause, bei dem Lily dafür sorgte, dass es so blieb: ordentlich, aufgeräumt, komprimiert. (» Think not, because I wonder where you fled  –«)
    »Worüber lächelst du? Du bist der einzige Mensch, der mir je begegnet ist, der tatsächlich ›in ein breites Lächeln ausbrechen‹ kann.«
    Jimmy brach erneut in eines aus. »Ich musste gerade an ein Gedicht denken. Allerdings keins von mir, sondern von Edwin Arlington Robinson. Ach, wenn es doch von mir wäre…« Jimmy seufzte.
    Tom musterte ihn erstaunt. »Ich wusste gar nicht, dass du Dichter bist. Hast du was veröffentlicht? Nicht«– er machte eine abwehrende Geste –»dass man ein Werk daran messen sollte, ob es veröffentlicht ist.«
    Jimmy rückte näher an Toms Schreibtisch heran und nahm etwas in die Hand, was nach einer Versteinerung aussah. Er begutachtete es von allen Seiten. »Sollte man aber, Tom, man sollte es daran messen. Emily Dickinson war dieser Auffassung, trotz dem ganzen Mist von wegen, es wäre ihr egal gewesen, sie hätte nicht gewollt, dass ihre Gedichte veröffentlicht wurden, wenigstens nicht zu ihren Lebzeiten. Als mein Buch veröffentlicht wurde, war es, als wäre ich aus der Einzelhaft entlassen worden. Von nun an konnte ich mich wenigstens unter die anderen Häftlinge mischen.«
    »Wobei die ›anderen Häftlinge‹ wir waren, nehme ich

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