Grimes, Martha - Mordserfolg
hinten stehen mein Koffer und meine Schreibmaschine. Ich bin von zu Hause ausgezogen. Lily – das ist meine Frau – sagte ich, wir sollten uns vielleicht mal auf Probe trennen. Da brach aber ein Donnerwetter los –übrigens mit ein Grund, weshalb ich eine Trennung auf Probe wollte. Wissen Sie, was ich vorhabe? Ich werde mir eine Wohnung suchen und solange im Hotel wohnen. Ich brauche bloß ein Studio, vielleicht finde ich ja was in Lower Manhattan oder TriBeCa. Mein Sohn Mike ist fünfzehn. So habe ich auch nicht das Gefühl, ich lasse ihn im Stich, denn er liebt Manhattan und kann mich ja in meiner neuen Bude besuchen kommen und dort herummotzen, statt zu Hause zu hocken und herumzumotzen. Die Gefahr ist nur, dass er womöglich einziehen will. Jedenfalls glaubt er bestimmt, dass er mir nun massive Schuldgefühle einjagen kann. Dass ich seine Mutter und das traute Heim verlassen habe, au weh, damit hat er doch mehr Munition in der Hand und kann mich ablehnen wie den letzten Dreck, mehr, als er sich je hätte erhoffen können, wenn ich geblieben wäre. Für Lily gilt das Gleiche. Stellen Sie sich mal vor, all die Lunchtreffen und Cocktailpartys, auf denen sie mich zur Schnecke machen kann.« Jimmy grinste. »Ein rundum gelungener Coup also! Und Mort werde ich sagen, ich arbeite dreieinhalb Tage, mehr nicht, auf diese Weise kann ich Ihr Agent sein und noch ein paar andere betreuen, die ich respektiere. Und wenn ihm das nicht passt«– Jimmy zuckte lässig die Achseln –, »dann scheiß drauf, dann gehe ich. Dann mache ich meine eigene Agentur auf mit Ihnen als Topklienten. Ich hoffe, Sie sind einverstanden. Aber auch wenn Sie nicht mitmachen, schaffe ich es schon mit den paar Autoren, die bestimmt mitgehen.«
Paul hatte die ganze Zeit über den Kopf geschüttelt. »Wow!«
»Also, haben Sie es gesehen?«
Paul sah ihn fragend an. »Habe ich was gesehen?«
»Wie weit ich gehen würde.«
Paul grinste. »Weit genug. Total weit.«
37
Paul Giverney nahm in Clives Büro Platz, ohne den Mantel abzulegen.
Damit ich auch ja weiß, dass er kaum Zeit für mich hat, dachte Clive.
»Also?«
»Wissen Sie«, hörte Clive sich überrascht sagen, »ich hatte ein ganz schön hartes Wochenende. Besprechen Sie es doch mit Bobby.«
»Eher würde ich es mit einem Hamster besprechen. Bobby hatte immer ein hartes Wochenende. Bobby lebt praktisch für harte Wochenenden.«
Clive war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, dass Paul Giverney mit den Gegebenheiten bei Mackenzie-Haack vertrauter war, als man von einem Schriftsteller erwarten würde, der noch gar nicht zu Mack-Haack gehörte. Aber natürlich war Bobbys Liebesaffäre mit Glenlivet und den Weinen von Puligny-Montrachet in Verlagskreisen kein Geheimnis.
Giverney wartete auf eine Antwort. Da Clive ihm ja schlecht von seinen Wochenendkumpanen erzählen konnte, saßen sie einige nicht enden wollende Sekunden in Schweigen getaucht da.
Das Clive schließlich brach. Die Kunst des Schweigens als Instrument oder Waffe hatte er noch nie gemeistert. »Paul…« Er verstummte. Nannten sie sich eigentlich gegenseitig beim Vornamen?
»Clive?«
Offensichtlich ja, obwohl Clive ernstlich bezweifelte, dass sie die gleiche Wellenlänge hatten. Wenn dieser arrogante Dreckskerl doch bloß die Hand vom Mund wegnehmen würde. Der Dreckskerl tat es.
Paul fragte: »Wie lang kann das denn dauern, einen Scheißvertrag für null und nichtig zu erklären, Clive?« Er tat, als würde er ein Blatt Papier zerreißen und sich die unsichtbaren Schnipsel über die Schulter werfen. Dann verschränkte er wie in Boxerstellung die Arme vor der Brust und setzte die Sohle seines Schuhes auf der Kante von Clives Schreibtisch ab. Was erlaubte der sich eigentlich?
Erleichtert, dass er wenigstens zu diesem Punkt etwas sagen konnte, meinte Clive: »So einfach ist das nicht. Sie wissen doch, dass Tom Kidd sein Lektor ist. Wir können es uns nicht leisten, Tom zu verlieren – nicht bloß wegen ihm selbst, auch wegen der Autoren, die er betreut. Ihnen ist doch wohl klar, dass die ihm bis ins Fegefeuer folgen würden, und das bedeutet – zu einem anderen Verlag. Das habe ich Ihnen aber alles schon gesagt. Also«– Clive schlug seinen konziliantesten Ton an –»was bezwecken Sie eigentlich?«
»Ich sagte ja bereits, das brauchen Sie nicht zu wissen. Tom Kidd ist aber doch ein Anachronismus, ein ›literarischer‹ Lektor! Von der Sorte gibt’s nicht mehr viele. Ersetzen Sie ihn durch einen gewieften jungen
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