Grimes, Martha - Mordserfolg
mitgeteilt, dies sei der beste Rat, den er je bekommen hatte. Er sei aber nun mal krank, neurotisch und abgehalftert und schaffe es einfach nicht.
Das ging Jamie über den Verstand. »Sie glauben doch wohl nicht, dass ein Lektor das merkt, oder? Und überhaupt, wer um alles in der Welt würde sich unterstehen, eins von Ihren Büchern zu ›redigieren‹? Was, Sie glauben, ein Kritiker schnallt, dass Sie es nie fertig geschrieben haben? Da lachen ja die Hühner!«
Jamies Ansichten über das Schreiben waren vollkommen nach außen, auf den Leser gerichtet. Sie war noch nie der Ansicht gewesen, Schreiben hätte nichts mit Geld zu tun. So hatte Ned es einmal formuliert, und Jamie hatte ihn fassungslos angesehen, mit vor Entsetzen geweitetem Blick. Wie konnte er so was bloß sagen? War er komplett übergeschnappt?
»Sehen Sie sich Saul an.«
»Saul hat Geld.«
»Ob er Geld hat oder nicht«, fuhr Ned fort, »glauben Sie denn, Geld wäre für ihn ein Ansporn? Für Saul? Und was ist mit b.w.brill und den anderen?«
»Du meine Güte, das sind Dichter! Dass man mit Gedichteschreiben kein Geld verdient, weiß doch jeder. Außer man ist für etwas anderes berühmt, außer man ist ein Promi-Poet, und wie viele gibt’s von denen schon? Ein berühmter Dichter ist doch meistens ein toter Dichter.«
»Wir reden nicht von Berühmtheit. Wir reden von Geld.«
»Seltsam, wie die beiden sich ergänzen. ›Reich und berühmt‹, das ist untrennbar miteinander verbunden.« Jamie trank ihren Boilermaker. Dazu war sie in letzter Zeit übergegangen: Den Whiskey kippte sie in einem Schluck, dann griff sie nach dem Bier.
Ned überlegte: Wann hatte er zum letzten Mal von einem Boilermaker gehört? Hatte er überhaupt einmal jemand einen trinken sehen außer Jamie? Trotz ihres ganzen Geredes über Geld, und obwohl sie so verächtlich über die Vergangenheit herzog – Ned fand Jamie fest darin stecken geblieben. In den alten Zeiten. Er hatte den Verdacht, dass sie mit ihrer immensen Produktivität einen immensen Verlust überspielen wollte, einen Verlust, den sie nicht länger ertragen konnte. Er fragte sich oft, was es wohl war. Der Tod eines Menschen natürlich. Von Vater? Mutter? Es war schwer, Jamie dazu zu bewegen, über ihre Vergangenheit zu sprechen.
Der man nicht entkommt, sinnierte Ned, die einen auf Pfade zwingt, die man sonst nie betreten hätte.
Sie fuhr fort: »Und das ganze Gequatsche von wegen ›Schreiben ist eine Qual‹, Saul. Also, von Ihnen hätte ich so was nicht erwartet.«
Saul hob sein Bierglas, als wollte er einen Toast ausgeben. »Jamie, wenn ich bloß halb so viel Selbstvertrauen hätte wie Sie!«
Sie ließ den Kopf in die Hände sinken. »Oh Mann«, meinte sie kopfschüttelnd. »Und das von einem, der den Pen/Faulkner-Preis gewonnen hat, den National Book Award, den New York Critics Award und und und.« Sie hob den Kopf und sah ihn an. »Und ich soll jetzt wirklich glauben, Sie bräuchten mein Selbstvertrauen?«
»Nein.«
»Hatten Sie noch nie eine Schreibblockade?«, wollte Ned wissen. »Auch nicht, als Sie ganz frisch anfingen?«
»Wieso sollte ich? Wieso sollte überhaupt jemand? Man kann nicht blockiert sein, wenn man ganz einfach Wörter hinschreibt. Irgendwelche Wörter. Leute, die ›blockiert‹ sind, machen den Fehler zu glauben, sie müssten gute Wörter finden. Ich habe zum Schreiben dieselbe Einstellung wie der Kerl, der das verdammte Baseballbuch Feld der Träume geschrieben hat, so wie der das verdammte Baseballfeld gesehen hat. ›Leg einfach los, und die Wörter kommen schon von selbst.‹«
Ned meinte: »Sie glauben offenbar nicht, dass am Schreiben etwas schwierig ist.«
»Aber ja doch«, sagte Jamie und zupfte am Etikett auf ihrer Bierflasche herum. »Die Seitennummerierung ist das Schwerste – die verdammten Seiten durchnummerieren. Dabei bin ich gerade. Plötzlich hatte ich zweimal die Seite hundertachtundneunzig. Zum Glück ist die erste an einem Kapitelende und hat nur zwei Zeilen. Das heißt, ich muss bloß die beiden Zeilen ausmerzen.«
Saul hatte laut gelacht. »Um Himmels willen, Jamie. Wenn Sie die beiden Zeilen ursprünglich eingefügt haben, dann möchte man doch meinen, Sie finden sie mehr als nur ein bisschen nötig.«
»Also, bitte . Kommen Sie mir nicht mit diesem aufgeblasenen Quatsch daher von wegen, jedes Wort ist in Stein gemeißelt. Die einzigen zwei Zeilen, die ich nötig finde, sind die beiden ersten Songzeilen von ›Cry‹.«
Und schon war sie an Swill’s
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