Grimes, Martha - Mordserfolg
Peter Genero dieses Buch betreuen sollen. Genero war der Prominenten-Experte, wobei der Begriff »Prominente« hier auch Killer umfasste, Attentäter, Tennisspieler, Serienvergewaltiger, jeden, der einmal in L.A. gewohnt hatte, Putschisten, Offshore-Banker – jeden, der irgendeine besondere Masche hatte oder eine schmutzige Geschichte erzählen konnte. Diese verhinderten Schriftsteller waren der Meinung, sie seien an sich schon so toll, dass sie nicht auch noch ihre eigenen Bücher zu schreiben brauchten.
Diese Aufgabe war genau auf Peter Genero zugeschnitten. Doch Genero war vermutlich zu beschäftigt damit, beim Mittagessen die Mäuler seiner Prominenten-»Projekte« zu stopfen, also von Leuten, die erst vor kurzem berühmt geworden waren und gleich meinten, sie müssten ein Buch darüber schreiben. Über ihre neue Berühmtheit.
Clive verabscheute Genero. Aber nicht auf die gleiche Art, mit der er Tom Kidd hasste. Auch wenn er wünschte, Tom würde sich einfach in Luft auflösen, hatte er doch großen Respekt vor ihm, beneidete ihn dafür, dass er die alte Flamme des Büchermachens noch hochhielt. Tagein, tagaus saß Kidd in seinem mit Bücherstapeln übersäten Büro, manchmal sogar am Wochenende, vom frühen Morgen bis zum Einbruch der Dunkelheit. Peter dagegen war kaum im Haus. Er erledigte seine verlegerischen Verpflichtungen – seine »Projekte«– von einem Apartment an der Upper East Side aus oder von einem Landhaus im mondänen Great Neck. Er war sich offensichtlich viel zu fein, als dass er sich an einen Schreibtisch fesseln lassen und mit etwas abgeben würde, das nach regulärer Arbeitswelt roch.
Seine Luxusimmobilien teilte er mit einem Wolfshundpärchen, das er mit Vorliebe im Central Park herumscheuchte und mit ins Büro schleppte, falls er doch einmal hereinschaute, sowie ins Petrossian, wo er gern zu Mittag aß, wenn es ein »Projekt« einzufädeln gab.
Früher hatte Clive sich gefragt, wie Genero es schaffte, Bobby zum Narren zu halten. Bis ihm eines Tages klar wurde, dass Peter das gar nicht tat. Bobby ließ ihn genau das machen, was Peter zugegebenermaßen gut konnte, nämlich diese Quickie-Promis zu umschmeicheln und zu bauchpinseln, bis sie aufgeblasen wie Ballons über dem Central Park schwebten. Dann taten sie das, was Peter Genero von ihnen verlangte: ließen sich vor ihrem Auftritt in der Larry-King-Show nicht voll laufen, heuerten keine Werbefritzen an, die ihre Bücher herumposaunten, bevor Mackenzie-Haack seinen eigenen Apparat für die Schau in Bewegung gesetzt hatte, und – am wichtigsten – versuchten gar nicht erst, ihre eigenen Bücher zu schreiben.
Es gab nämlich keinen, der nicht überzeugt war, übers Wochenende Krieg und Frieden schreiben zu können. Wenn Peter seinen prominenten Autoren mühsam verklickerte, wie sehr Mackenzie-Haack sie schätzte, wie absolut großartig man sie dort fand, dann hütete er sich vor der Behauptung, ihre Großartigkeit beinhalte auch nur die Spur von Schreibtalent. »Was wir von Ihnen wollen, ist Ihre Story. Sie mussten sie erleben, wieso sollten Sie sie dann auch noch aufschreiben? Überlassen Sie das lieber den Auftragsschreibern! (Nun kipp schon den dritten Martini runter, Baby.) Zu mehr taugen die doch sowieso nicht!«
Es funktionierte fast immer. Wenn es schief ging, war ein weiterer Genero-Trick – reserviert für jenen hart gesottenen, aufstrebenden Thomas-Mann-Typ, der bis zum Dessert nicht umzustimmen war –, das Spiel einfach mitzuspielen: Aber selbstverständlich! Wenn Sie das Buch selber schreiben wollen, großartig! Schicken Sie mir doch bis Montag ein Kapitel, Sie wissen ja, wir sind an diese lächerlichen Herstellungstermine gebunden. Am Montag rief so ein Thomas Mann dann gewöhnlich an, um ihm zu sagen, er habe Recht gehabt und solle für die Drecksarbeit doch einen von den Auftragsschreibern anheuern, man selbst habe Wichtigeres zu tun.
Ja, es gab keinen Zweifel: Schreiben war Drecksarbeit!
Und Peter Genero verstand etwas von seinem Metier.
Clive hatte den Buchumschlag nun so lange angestarrt, dass er ihm für alle Zeiten im Gedächtnis haften würde. Eigentlich hätte er in Bobbys Büro marschieren und seine Kündigung einreichen sollen.
Stattdessen warf er einen kurzen Blick auf das Karteikärtchen und griff nach dem Hörer.
9
Swill’s war eine ganz gewöhnliche Bar, die dadurch den Status eines Cafés errungen hatte (falls so etwas eine Errungenschaft ist), dass man draußen im Freien ein paar
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