Grimes, Martha - Mordserfolg
Preis hatte er täglich eine Schachtel Camel geraucht. Inzwischen war er Pfeifenraucher und trug Cordsamtjacken mit Lederellenbogen. Die beiden anderen, Andersen und Laughlin, hatten bisher nur in kleinen Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Es war daher an b.w. brill, am Dichtertisch die Richtung zu weisen. Wie die Tauben gluckten sie dort hinten zusammen und gingen sich gegenseitig auf die Nerven. Man redete über die Studienprogramme für kreatives Schreiben in Stanford und Iowa, Bread Loaf und Yaddo.
Das kam Ned in den Sinn, als er sah, wie b.w. seine Pfeife in der Luft herumschwenkte, entweder um ihn, Ned, zu begrüßen oder um ihm zu bedeuten, er solle an den Dichtertisch herüberkommen. Ned interpretierte die Geste lieber als Ersteres und winkte zurück.
»Waren Sie schon mal in Yaddo?«, fragte Ned die anderen.
»Ich? Nein«, sagte Saul.
Ned zuckte die Achseln. »Ich auch nicht. Wie heißt noch mal das andere?«
»Sie meinen Bread Loaf«, erwiderte Sally. »Das liegt doch in Vermont, nicht?«
»Bread Loaf meine ich nicht, das ist ein Schriftstellersymposium. Da kommt man mit Geld rein. Ich meine die Schriftstellerkolonien, wo man sich bewerben muss und eingeladen wird. Je nachdem kann man dann einen Monat oder ein halbes Jahr bleiben. Yaddo ist so was.«
»Und die MacDowell-Kolonie«, sagte Saul.
»Genau.«
»Entsetzlich.«
»Wieso?«, fragte Sally.
»Wir jammern doch immer so gern, wir hätten nicht genug Zeit oder nicht die richtige Umgebung zum Schreiben. Wir wollen aber doch gar nicht mehr Zeit, und wenn wir mal ehrlich sind, tut’s doch jede Umgebung. Schreiben ist ganz einfach verdammt schwer. Es kann so quälend sein. Ich will mich aber nicht mehr quälen als unbedingt nötig. Abgesehen davon – können Sie sich vorstellen, mit dreißig oder vierzig anderen Schriftstellern am Abendessentisch zu sitzen?«
»Machen die das denn?«, wollte Sally wissen.
»Man ist den ganzen Tag in seinem Zimmer, bis zum Abendessen. Das Mittagessen wird einem an die Tür gebracht«, sagte Ned. »Hört sich toll an, wenn man pleite ist. Unterkunft, Verpflegung und Ruhe.«
»Bis zum Abendessen«, sagte Saul.
»Aber ihr beklagt euch doch immer über Ablenkung und dass ihr nicht genug Zeit habt«, sagte Sally.
»Dann ist das eben gelogen. Es ist genau so, wie ich sage. In solchen Dingen lügen Schriftsteller immer. Ich meine, schaut euch mich an. Ich lebe allein. Ich habe jede Menge Zeit und eine Sechszimmerwohnung, und keiner schreibt mir vor, was ich tun soll.«
»Sechs Zimmer. Mann, dann gründe doch eine Schriftstellerkolonie«, schlug Ned vor.
»Ich habe wahrscheinlich die ideale Umgebung zum Schreiben, Ned übrigens auch. Wenn wir also von Ablenkung und zu wenig Zeit reden, ist das doch gelogen. Na, jedenfalls was diese Kolonien betrifft – diese so genannten –, kann ich mir nicht denken, dass man als Schriftsteller sehr davon profitiert. Schreiben ist doch ein ungeselliger Akt. Abendessen mit dreißig anderen ist nicht die ideale Umgebung.«
»Vermutlich muss man gar nicht zum Abendessen gehen.«
»Wenn man was essen will, schon. So was überlasse ich jedenfalls Leuten wie unserem Freund brill da drüben.«
Jamie Flynn, zerzaust und mit wirrem Blick, als wäre sie gerade an einem Ort aufgewacht, an dem sie nichts verloren hatte und versuchte sich zu orientieren, wo sie eigentlich war, verdiente mehr Geld als die anderen alle zusammen – allerdings hinkte der Vergleich, denn alle zusammen reichten nicht einmal annähernd an die Höhe von Jamies Tantiemen heran. Jamie schrieb Genreliteratur, und zwar jede Art von Genre – Detektivromane, Sciencefiction, Horror –, benutzte aber natürlich jeweils ein Pseudonym aus ihrem Schatzkästlein an Pseudonymen. Sie veröffentlichte jedes Jahr zwei bis drei Bücher, einmal waren es sogar vier gewesen.
Was Jamie absolut verblüffend fand, war die Tatsache, dass Saul offenbar ohne Unterlass schreiben konnte und es dann fertig brachte, die Manuskripte in die Schublade statt einem Lektor über den Schreibtisch zu schieben. Jeder Verlag würde Saul sein neues Buch doch förmlich aus der Hand reißen. Dabei verdiente er nach zehn Jahren (abgesehen von den zwar mageren, aber immer noch eintrudelnden Tantiemen seines letzten Buches) immer noch kein Geld damit.
Saul hatte gesagt: »Ich habe noch keins von diesen Büchern zu Ende gebracht, Jamie.«
Sie schnaubte verächtlich. »Machen Sie mal einen Schlusspunkt.«
Saul hatte gelacht und ihr
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