Grimes, Martha - Mordserfolg
verfügte.
»Was soll das heißen? Berater?«
Clive seufzte.
Während er sich fragte, wieso zum Teufel eigentlich immer er an alles denken musste und nicht Bobby, schließlich hatte der die Idee gehabt, zog Clive die unterste Schublade an seinem Schreibtisch auf – einem großen, schönen Schreibtisch, einer Art Bestechungsgabe (Bobby hatte ihm über die Jahre immer wieder für kleine oder größere Sachen Geld zugesteckt) – und förderte eine Flasche Bombay Gin zutage.
»Also gut, Paul. Ich sag’s Ihnen ganz offen.« Na, von wegen. »Die beobachten Ned Isaly.«
»Warum?«
»Um zu sehen, ob sie etwas herauskriegen, was Ned vielleicht nicht an die große Glocke gehängt haben will.«
»Was? Soll das heißen, Sie wollen den Kerl erpressen? Müssen Sie denn solche Verrenkungen machen –«
Oha! Clive wünschte, es wären die einzigen Verrenkungen, die Bobby Mackenzie machen würde. »Sie sind doch derjenige, der ihn aus dem Weg haben will, Paul.«
»Ach, jetzt stellen Sie sich nicht so an! Zerreißen Sie einfach seinen Vertrag. Sie haben doch ganze Heerscharen von Anwälten! Wofür sind die denn verdammt noch mal gut, wenn sie nicht mal einen Scheißvertrag aufheben können?«
»Paul, das ist im Augenblick alles, was ich sagen kann.« Es entstand eine längere Schweigepause. »Paul –?«
»Ich will wissen, was Ned Isaly alles macht. Da er beobachtet wird, sollte das ja kein Problem sein.«
Bei dem »da er beobachtet wird« schwang definitiv Sarkasmus mit.
»Na ja, das ist gar nicht so einfach. Die haben ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass sie nicht angerufen werden wollen. Sie melden sich, wenn sie fertig sind. Wir können sie im Grunde nicht kontrollieren.« Dieses Eingeständnis war Clive äußerst unangenehm.
»Wieso nicht? Sie bezahlen sie schließlich.«
Clive malte sich aus, die Killer dazu zu bewegen, jede Stunde Meldung zu machen. Das konnte man vergessen! »Ich werde mein Bestes tun.«
Was Clive tun würde, blieb jedoch ein Geheimnis zwischen ihm und seinem Bombay Gin, denn Paul Giverney hatte aufgelegt. Clive brach die Versiegelung auf, zwirbelte mit der Handfläche die Verschlusskappe auf, hielt die Flasche schräg und trank direkt daraus. Ah. Ahhhhh. Er schraubte die Flasche wieder zu, steckte sie in die Schublade zurück und schob diese zu.
Er wandte sich um und sah aus dem Fenster auf die silbrig erblühende Skyline von Manhattan, das Chrysler Building, das Empire State, das Metropolitan Life Building, betrachtete diesen Moloch aus Licht und Geist, diese geballte Ladung aus Nacht und Sternen. Er dachte an seine kleine Wohnung in dem Gebäude aus der Vorkriegszeit und an die Aussicht, die man von dort hatte, wo man dieselben Wolkenkratzer von der anderen Seite sehen konnte. Hier das Büro, dort die Wohnung, und dann jeweils diese Aussicht! Clive konnte sich nicht vorstellen, irgendwo anders zu leben. Es gab kein Anderswo. Der Gedanke, dies alles zu verlieren, war unerträglich.
Wieso saß er hier und bosselte an dem Manuskript von Dwight Staines herum, während er doch eigentlich herausfinden sollte, was zum Teufel mit Paul Giverney los war? Genau hier hatte Giverney gesessen (Clive deutete sogar mit dem Kopf zu dem Stuhl hinüber, als rekapitulierte er die Geschichte für irgendeine Klatschkolumnistin oder einen Journalisten. Oder für die Polizei, um es ein bisschen grusliger zu machen). Schlimmstenfalls, sagte er sich, würden Karl und Candy Ned Isaly bloß»ein bisschen aufmischen«, nur so viel, bis sie ihm »nahe gelegt« hatten, die Stadt zu verlassen und seinen neuen Roman gleich mitzunehmen. Wenn das alles war, wieso bemühte er sich dann die ganze Zeit, den Ausdruck »unschöne Sauerei« auszublenden, den Danny fast beiläufig benutzt hatte?
Allerdings, woher wollte er es wissen? Sie waren merkwürdig, diese beiden. Seltsame Idee, mehr über Isaly erfahren zu wollen, bevor sie den Auftrag annahmen. Das waren zwei verdammt komische Vögel, so viel er über den Tisch bei Michael’s hatte erkennen können. Welcher Killer will denjenigen schon kennen lernen, hinter dem er her ist? Was für einer lässt sich gar erst darauf ein, nachdem er den Betreffenden näher kennt? Und was um alles in der Welt ist das für einer, der sich bei Michael’s treffen will?
Und dann diese Geschichte mit Giverney und Isaly. Vielleicht könnte er mit Ned Isaly selbst reden… Nein, ausgeschlossen. Bobby würde denken, er wolle Ned warnen und sich seiner dann zusammen mit Ned entledigen.
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