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Grimes, Martha - Mordserfolg

Grimes, Martha - Mordserfolg

Titel: Grimes, Martha - Mordserfolg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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so eine Stimmung verfiel er nur, wenn er mit bestimmten Leuten redete, mit Autoren wie etwa Ned oder Grace Packard und noch zwei oder drei anderen. Der Rest waren »Telefonvampire« (mit dem Ausdruck bedachte Tom auch Leute wie Kikki Cross, die Agentin, oder Jani Gat, die Leiterin eines trendigen Kleinverlags, die alles auf ihr gutes Aussehen setzte, allerdings vergeblich – oder Möchtegern-Autoren, die sich irgendwie seine Telefonnummer beschafft hatten und ihm ihre Bücher anboten, die sie noch gar nicht geschrieben hatten und auch nie schreiben würden).
    Sally hob den Kopf und lauschte. Ja, es war Ned, oder zumindest ging es um Ned, denn Tom hatte seinen Namen gesagt. Sie trat um ihren Schreibtisch näher an seine offene Tür, doch Toms Stimme hob und senkte sich so sanft, als würde er ein Baby in den Schlaf singen.
    Demnach war es nicht Ned, denn der hatte die »Ach-du-Armer«-Nummer nicht nötig. Was sein Schreiben betraf, war Ned keine Heulsuse. Es war also entweder Chris Llewelyn oder Henry Suma, beides wunderbare Autoren, beides Heulsusen. Chris flippte oft mitten in der Arbeit an einem Roman plötzlich aus und fing an, über Schreibblockaden zu jammern. Tom Kidd fand es unerträglich, wenn sie mit ihrer Schreibblockade daherkamen, denn er selbst glaubte nicht daran.
    » Es ödet dich an, mehr steckt nicht dahinter (begann Tom seine Aufmunterungsrede). Stell dir vor, du bist mit ein paar anderen Leuten zusammengesperrt, die nicht richtig ticken, nichts richtig machen und – was das Schlimmste ist – nicht richtig sprechen können. Blödes Gebrabbel, mehr kommt da nicht, und du musst ihnen dabei zusehen und zuhören, monate- und jahrelang. Es ist also ein Wunder, dass es dich bloß anödet. Ich bin überrascht, dass du nicht einfach den ganzen Kram hinschmeißt und dir die Kugel gibst.«
    Es kam selten vor, dass er diese Rede vom Stapel ließ (denn sein Mitgefühl mit Autoren war grenzenlos), doch wenn er es tat, trug er sie in seinem Wiegenliedton vor, um der Sache den Stachel zu nehmen. So eine Botschaft klang nicht gerade tröstlich, hatte auf Autoren wie Chris Llewelyn jedoch genau diesen Effekt. Tom kam es nur darauf an, sie durch sein Reden vom hohen Mauervorsprung des Schreibblockadengebäudes herunterzulocken.
    Bei Ned brauchte Tom jedoch keinen seiner kleinen Tricks anzuwenden. Mit Ned redete er wie mit einem Erwachsenen – genauer gesagt, einem Schriftstellererwachsenen –, nicht einem tatsächlichen waschechten Erwachsenen, von Sallys Standpunkt aus. Ned gab ihr oft das Gefühl, als ob er sie ausgrenzte, etwa so wie Teenager es mit ihren Eltern tun. Sie geben vor, ihrem Gegenüber Beachtung zu schenken und kümmern sich stattdessen nur um das, was in ihrer auf sich selbst gerichteten kleinen Bücherwelt vor sich ging. Sally wurde immer wütender – dass Ned das Bobby-Clive-Komplott nicht ernster nahm!
    »Was ist denn mit Ihnen los?« Tom Kidd stand neben ihrem Schreibtisch.
    »Was? Mit mir? Nichts.«
    »Sie haben mit den Zähnen geknirscht.«
    »Nein, habe ich nicht. Da macht doch niemand.« Energisch wandte sie sich ihrem Computerbildschirm zu und begann, in die Tasten zu hauen. Unzusammenhängendes Zeug.
    Tom Kidd rührte sich nicht vom Fleck. »Das war Eric. Er sagt, er kann den Abgabetermin nicht einhalten, er will nämlich das Manuskript verbrennen.«
    Da es nicht mehr um ihr Zähneknirschen ging, drehte Sally sich wieder her und musterte ihn. »Das würde den Herstellungsplan aber gewaltig durcheinander bringen. Aber Eric macht doch sowieso immer fünfzehn Kopien, dann hat er sicher ein Exemplar beiseite gelegt. Wie lang braucht er denn noch?«
    »Ein paar Wochen. Können Sie sich das vorstellen? Dass man sich selber verrückt macht, bloß weil man zwei Wochen später dran ist?«
    »In der Herstellung kriegen sie schon die Krätze, wenn ein Buch sich bloß um zwei Tage verspätet. Sie kennen sie doch.«
    »Ach, die.«
    »Ja, ja, aber Ach-die sind ihm vor ein paar Jahren aufs Dach gestiegen, weil er die Fahnen nicht rechtzeitig zurückgeschickt hat. Ich kann mir da noch ein paar andere Manuskripte denken, die Mackenzie-Haack vielleicht gern auf den Scheiterhaufen werfen möchte.«
    Tom lehnte sich lächelnd gegen den Türrahmen. »Ich höre.«
    »Na ja, Dwight Staines’ neuen Schmöker zum Beispiel. Und dann –« Es ging nicht anders, sie musste es ihm sagen, obwohl sie das Gefühl hatte, sich am Ende selber zu schaden, wenn sie Informationen weitergab, die sie beim Lauschen an einer

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