Grimes, Martha - Mordserfolg
beredete es ausführlich beim Cocktail in einem weniger wählerischen Klub oder Restaurant. Es war höchst vergnüglich, Leute zu kennen, darunter auch persönliche Bekannte, die nicht ins Lokal gelassen wurden. Und wie köstlich, den Leuten die gewisse Frage zu stellen und zu beobachten, wie sie reagierten. Haben Sie letzthin im Old Hotel gespeist? Das Lokal hatte eine schwarze Liste, die den Verhören während der McCarthy-Ära alle Ehre gemacht hätte, bloß dass man bei diesen Verhören gar nicht wusste, worum es eigentlich ging.
Es war kafkaesk. Clive hatte schon oft den Wunsch verspürt, diesen Duff für Mackenzie-Haack ein Buch schreiben zu lassen. Er schien ein toller Kerl zu sein. Und das Buch könnte auch eine tolle Sache werden. Beim Thema Old Hotel gerieten die Leute mehr aus dem Häuschen als eine schnatternde Schar junger Collegestudenten während der ersten Studienwoche. Und wenn er ehrlich war, musste Clive sich ebenfalls zu den Erstsemestern rechnen. Ob er sich allerdings mit dem Gedanken an ein Buch getragen hätte, wenn sein Name auf der »Nein«-Liste gestanden hätte – nein, höchstwahrscheinlich nicht.
Aus Gründen, über die er lieber nicht spekulieren wollte, gehörte Clive also zu den Gesalbten. Mort Durban nicht, da mochte er wetten. He, he, he!
»Soll das ein Witz sein, da kriegen Sie nie einen Tisch! Die sind bis Weihnachten ausgebucht.«
Damit wusste Clive alles, was er wissen musste. » Tut uns Leid, Sir, aber wir sind bis Weihnachten vollkommen ausgebucht « (oder bis Ostern oder bis zum Sankt Nimmerleinstag), war die stereotype Antwort des Old Hotel, wenn man auf der Zutritt-Verboten-Liste stand.
»Ach, ich schleuse uns schon rein.«
Durban war sicher total fertig, als er das hörte. Er sagte: »In die Lobby vielleicht, aber nicht nach oben an die Balustrade.«
Damit meinte er die Bar im Erdgeschoss und den Speisesaal im Zwischengeschoss. Für ein Restaurant war die Konstruktion ungewöhnlich, ein balkonartiges Obergeschoss. Es war jedoch einfach Teil der Architektur des hochherrschaftlichen Hauses, das es ehedem gewesen war. Hätte es sich nicht in Manhattan befunden, sondern in einer läppischen Provinzstadt wie Savannah, hätte man es auf die Zeit vor dem Bürgerkrieg datiert. Eine Marmortreppe schwang sich erhaben ins Zwischengeschoss hinauf. Sie war ziemlich lang, und die Tische, die am kupfernen Gitterwerk der ringsum auf allen vier Seiten verlaufenden Balustrade aufgestellt waren, boten die exquisitesten Plätze. Von dort konnte der Gast zum Barbereich hinuntersehen und beobachten, welche kleineren Lichter (die, verglichen mit den Ungesalbten, jedoch immer noch recht kräftig leuchteten) das ganze Treiben unter die Lupe nahmen. Es bedeutete, dass die Zuschauer selbst zur Schau gestellt waren. Hier wurden immer eifrig die Hälse gereckt.
Was die Bar im Stockwerk darunter betraf, die »Lobby«, war das Old Hotel nicht so streng. Mit der langen, breiten Theke und den zahlreichen Tischen nahm sie das gesamte Erdgeschoss ein – und hier wurden Leute zugelassen, denen der Zutritt zum Speisesaal oben auf dem Balkon verwehrt war. Das hieß aber noch lange nicht, dass jeder dahergelaufene Blödmann durch die Tür kam. Für das Erdgeschoss galt zwar ein weniger strikter Kriterienkatalog, Kriterien gab es aber dennoch. Da niemand wusste, worin diese Kriterien bestanden, konnte man es nur herausfinden, indem man hineinging. Oder es versuchte. Und hier kam die andere Regel ins Spiel: Als Ungesalbter kam man hinein, wenn man Gast eines Gesalbten war. Durban konnte also hinein, wenn er sozusagen an Clives Arm hing.
»Okay, welche Uhrzeit?«, brummte Durban mürrisch.
»Wann immer es Ihnen passt.«
»Sie meinen, wann es dem Old Hotel passt.« Er legte auf.
18
»Also, wie findest du’s?«, fragte Candy.
»Geht so.« Karl legte einen Zahnstocher in sein Buch, um die Stelle zu markieren. Er war gerade zu einem Abschnitt in der Geschichte gekommen, der ihm wirklich gefiel. Ihm war klar, dass Candy nicht das Buch meinte, sondern die Bar und die anwesenden Gäste. Sie befanden sich bei Swill’s, um Ned Isaly und seine Entourage zu beobachten. »Du könntest wenigstens die Sonnenbrille absetzen und die Baseballmütze umdrehen.«
Candy zuckte die Achseln. »Ich finde, so seh ich aus, wie wenn ich dazu gehöre.«
»Ja, aber zu was?«
Karl interessierte sich für Ned Isaly, und sein Interesse steigerte sich, je mehr er in diesem Buch las. In Solace. Ein merkwürdiges
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