Grimes, Martha - Mordserfolg
Pinkelwettbewerb, um zu sehen, wer der knallhärteste Typ war –, wieso sollte man Mort dann vorwerfen, dass er sich wie ein Räuber gebärdete?
Paul Giverney konnte es sich leisten, wie ein Scheißkerl aufzutreten, denn er rangierte in der obersten Riege der Autoren, die in den seltenen Genuss siebenstelliger Vorschüsse kamen. Seinen letzten Vertrag über zwei Bücher hatte Giverney mit 6,2 Millionen Dollar abgeschlossen. Sein jetziger Vertrag mit Mackenzie-Haack über acht Millionen war noch nicht unterschrieben und würde es auch bleiben, »bis gewisse Bedingungen erfüllt waren«.
» Was denn für Scheißbedingungen?«, hatte Mort vor einiger Zeit von Paul wissen wollen.
»Das brauchen Sie nicht zu wissen, Mort«, hatte Paul erwidert.
» Was? Ich bin Ihr Agent , verdammt noch mal.«
»Na, dann umso besser.«
Dieser rätselhaften Einschätzung von Morts Wert folgte eine aufmunternde Geste nicht in Morts, sondern in Jimmys Richtung, der gerade die Promotionplanung für Pauls neues Buch Don’t Go There hereingebracht hatte.
Dieses Buch las Jimmy gerade an seinem Schreibtisch und war vollkommen überrascht. Er hatte Paul Giverney ja schon immer für viel besser gehalten, als ihm zugestanden wurde, doch mit diesem letzten Buch hatte der Autor die Grenzen des Genres weit gesprengt. Zugegeben, es war wieder einmal ein hochspannendes Buch und sündhaftes Lesevergnügen, sogar noch mehr als die anderen, wenigstens die beiden, die Mort Durban vermittelt hatte. In diesem neuen Buch spielte sich nämlich etwas ab, was einen ziemlich zum Nachdenken brachte, etwas unbeschreiblich Trauriges. Es war mehr als Angst (wieso eigentlich nicht Entsetzen? Wenn die wohlvertraute Umgebung plötzlich fremd geworden war, wieso war diese Frau dann nicht völlig außer sich vor Angst? Sie wirkte bloß verwirrt und neugierig).
Jimmy gefiel das Buch sehr. Wäre er Pauls Agent gewesen, er hätte die zusätzliche Vorschussmillion sausen lassen und den Verlag Queeg & Hyde gezwungen, eine Werbekampagne anzuleiern, die das Buch auf ein anderes Niveau hob. Die Leute sollten endlich merken, wie gut Paul war.
»Wie kommen Sie eigentlich zu diesem Ruf?«, fragte Jimmy. »Von wegen, Sie seien, äh, nun ja…«
»Ein Dreckskerl?« Paul grinste. »Weil ich will, dass die Leute das denken, manche zumindest. Sie würden sich wundern, wie schnell man den Dreck hinter sich lässt und zur Sache kommt, gerade im Verlagswesen, wo es ganz besonders dreckig zugeht. Aber vielleicht sind Sie ja anderer Meinung.«
Dieses Gespräch hatte vor ein paar Tagen stattgefunden, als Paul vorgeschlagen hatte, Kaffee trinken zu gehen. Sie waren in den Coffeeshop gleich neben dem klobigen Gebäude gegangen, in dem Mort Durban seine Büroräume hatte.
»Ganz Ihrer Meinung.« Jimmy schüttete reichlich Zucker in seinen Kaffee. »Fünf Jahre bin ich nun schon dabei, aber ich kann die Leute an einer Hand abzählen, bei denen ich nicht das Bedürfnis hatte, danach sofort unter die Dusche zu rennen.«
»Wieso bleiben Sie dann? Sie sind viel zu gut für dieses Leben, und viel zu gut, um für einen Fiesling wie diesen Mort zu arbeiten.«
»Es ist wegen des Geldes.«
Paul schüttelte den Kopf. »Na, na, na. Sie doch nicht. Dann müssen Sie ja bis zum Hals in Schulden stecken. Was ist es – Ehefrau? Kinder? Privatschulen? Teure Klamotten? Die Mafia? Tony Soprano?«
Jimmy lachte. »Trifft alles zu, außer der Mafia und Tony. Der Familie würde es wahrscheinlich schwer fallen, mit viel weniger auszukommen.«
»Wieso denn? Sie sind doch damit ausgekommen.«
Jimmy staunte, dass ihn jemand, noch dazu Paul Giverney, so gut einschätzen konnte. Er schwieg und ließ es sich durch den Kopf gehen. Dann sagte er: »Ich schreibe Lyrik.«
»Ich weiß.« Paul zog ein schmales Buch aus der Innentasche seines Regenmantels. »Meine Frau möchte ein Autogramm von Ihnen. Molly heißt sie.« Er schob das Buch über den Tisch.
Jimmy war verblüfft. Er schlug das Buch auf und blickte auf die Titelseite, als sähe er sie zum ersten Mal. Er erinnerte sich an das Hochgefühl damals vor zehn Jahren, als er das Päckchen geöffnet hatte, in dem die zehn Belegexemplare lagen, die der Verlag ihm geschickt hatte. Deshalb begriff er auch, wie wichtig es war, veröffentlicht zu werden. Es ging gar nicht ums Geld, wenigstens nicht am Anfang. Es ging darum, die eigenen Texte gedruckt zu sehen. Er nahm den Stift, den Paul ihm hinstreckte.
»Molly liebt Gedichte. Sie liest die meisten
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