Grimm 1: Der eisige Hauch (German Edition)
nicht.
„Das werden sie bald“, erwiderte Renard. „Diese Leute wurden fast schon auseinandergerissen. Zerfetzt. Die Köpfe wurden abgerissen. Wir werden behaupten, das wäre mit einer Kettensäge oder einem ähnlichen Werkzeug gemacht worden. Aber die
Wesen
werden Bescheid wissen …“
„Und was ist mit …“, setzte Hank an, doch er wurde unterbrochen, als es an der Tür klopfte.
Sergeant Wu kam herein, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, und hielt einen Bericht in der Hand. Er blieb mitten im Raum stehen und sah von einem zum anderen.
„Wow, wieso hören alle auf zu reden, sobald ich ins Zimmer komme? Ist das irgendeine interne Geschichte, über die ich nichts wissen soll?“
„Nein“, antwortete Hank. „Der Captain hat Nick gerade ein paar Beziehungstipps gegeben. Eigentlich hat er gesagt, dass er’s lieber ganz lassen sollte.“
„Darüber habe ich auch schon nachgedacht“, entgegnete Nick mit ernstem Gesicht.
„Sehr witzig“, erwiderte Wu und legte den Papierstapel auf Renards Schreibtisch. „Ich werde euch mal einen richtigen Witz erzählen: Ein Polizist hält einen LKW-Fahrer an und meint: ‚Ich sag Ihnen jetzt zum dritten Mal, dass Sie Ladegut verlieren.‘ Darauf der LKW-Fahrer: ‚Und ich sage Ihnen jetzt zum dritten Mal, dass das hier ein Streuwagen ist!‘“
Man hätte im Zimmer eine Stecknadel fallen hören können.
„Wu, brauchen Sie mal Urlaub?“, fragte Renard schließlich.
„Ich, Captain? Nein, mir geht’s bestens.“
„Warum stehen Sie dann noch hier rum?“
„Ich … Okay, alles klar. Ich wollte nur den Bericht abliefern.
Und Ihnen Bescheid sagen, dass der Bericht über die reingeschmuggelte Substanz da ist. Falls sie überhaupt rein- und nicht rausgeschmuggelt wurde …“
Er reichte Renard den Bericht, der ihn überflog.
„Scopolamin?“
„Enthält ziemlich viele seltsame toxische Stoffe“, meinte Wu. „Aber das Labor sagt, dass der Wirkstoffgehalt das Entscheidende wäre. In diesem Zustand ist Scopolamin illegal. Aber was sie damit anstellen wollten, weiß keiner so genau.“
Er drehte sich um und ging hinaus, wobei er leise etwas vor sich hinmurmelte, als er die Tür schloss.
„LKW. Streuwagen. Ich fand das witzig.“
Sobald er aus der Tür war, fing Hank an zu lachen.
„Ha, das ist ein Streuwagen.“
„Fandest du das etwa witzig?“, fragte Nick und sah ihn irritiert an.
„Aber klar. Doch das sollte Wu nicht merken.“
Nick nahm Renard den Analysebericht ab und sah ihn sich genauer an.
„Scopolamin. Das passt zu dem, was mir Rosalee erzählt hat“, meinte er.
„Und das wäre?“, hakte Renard nach.
„Sie sagt, es sei
Seelensiegel
. Damit versiegelt man Seelen und kann andere versklaven.“
Renard nickte. „Es gibt zahlreiche Berichte aus Südamerika, in denen es darum geht, wie Menschen mithilfe von Scopolamin gefügig gemacht wurden. Man verabreicht es jemandem und bittet ihn, einem all sein Geld und seinen Schmuck zu bringen, was diese Person dann auch freudestrahlend tut.“
Hank warf ihm einen skeptischen Blick zu. „Ist das wirklich wahr, Captain?“
„Es klang für mich auch nach Übertreibung, aber … Zusammen mit den anderen Zutaten aus den Rezepten der
Hexenbiester
könnte es funktionieren.“
„Gibt es ein Gegenmittel?“, wollte Nick wissen. Seiner Ansicht nach konnte der Captain das wissen, da er ja schließlich zur Hälfte selbst ein
Hexenbiest
war, ein hexenartiges
Wesen
.
„Ich bin mir nicht sicher. Ich habe mich nie sonderlich für die, äh, pharmazeutische Seite interessiert“, antwortete Renard.
Nick sah sich das Foto der ermordeten Gangmitglieder noch einmal an.
„Die wurden aus gutem Grund ermordet“, stellte er fest und zeigte Hank das Foto. „Das Schattenherz hatte mit Drogen und Prostitution zu tun. Anscheinend will der Eisige Hauch ihre Geschäfte übernehmen.“
Renard nickte. „Sie wollen konventionelle Drogen verkaufen, die sie von Kartellen wie diesem bekommen können. Und auf diese Weise senden sie eine deutliche Botschaft: Uns kommt niemand in die Quere. Sie wollen in den Bereich der Sexsklaverei … und vielleicht müssen sie
Wesen
überzeugen, die Widerstand leisten … Da kommt ihnen das Scopolamin sehr gelegen.“
Nick schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht. Das klingt für mich irgendwie … unspektakulär für ein Verbrechersyndikat, das nur aus
Wesen
besteht.“
Renard nahm ihm das Foto wieder ab und schob es in einen Ordner.
„Das ist auch ziemlich unspektakulär.
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