Grimm 2: Die Schlachtbank (German Edition)
bespritzten. Andere Erwachsene und Teenager liefen barfuß und mit hochgekrempelten Hosenbeinen durch das Wasser. Wieder andere saßen auf den Bänken oder in den Picknickbereichen und genossen es, die Mittagspause im Freien machen zu können. Auf der anderen Seite des Brunnens versuchte sich ein junger Mann mit beginnendem Bartwuchs an Bob-Dylan-Songs und spielte auf einer mit Aufklebern übersäten Akustikgitarre.
Nick deutete auf den Rand des Brunnens.
„Da ist sie.“
Ein rothaariges Mädchen mit einem breitkrempigen Strohhut schirmte ihr blasses, von Sommersprossen übersätes Gesicht vor der Sonne ab und saß im Schneidersitz auf einem der Steine über dem Brunnen, während sie einen Zeichenblock auf dem Schoß festhielt. Sie blickte immer wieder zwischen den im Wasser spielenden Kindern und ihrer Zeichnung hin und her.
Nick ging voraus und hinter die Reihe aus einander überlagernden Stufen. Hank folgte ihm auf seinen Krücken, machte jedoch einen großen Bogen um die größer werdende Wasserfläche. Offenbar bekam er es an jedem Ort, an dem ihn dieser Fall führte, mit schwierigem Gelände zu tun.
Einige Schritte hinter der Rothaarigen blieb Nick stehen, nahe genug, um ihr Zeichentalent zu erkennen und zu bewundern, aber nicht so nah, als dass er sie erschrecken würde.
Sie trug ein altes Nirvana-T-Shirt, Jeans und BirkenstockSandalen.
„Rebecca Miravalle?“, fragte er.
„Ah!“, kreischte die junge Frau auf, und ihr Bleistift fuhr über das skizzierte Ohr eines Kindes.
Sie blickte auf und drückte die Hand, in der sie den Stift hielt, auf ihren Hut, als eine Brise an der Krempe rüttelte und ihn ihr vom Kopf zu reißen drohte. Ihre Unterlippe zierte ein Piercing, und sie trug das Tattoo eines kleinen, türkisfarbenen Schmetterlings im Nacken, der dank des gezeichneten Schattens sogar einen 3-D-Effekt hatte.
Nick legte die Hand auf seine Marke, die an seinem Gürtel befestigt war.
„Detective Burkhardt und Detective Griffin“, sagte er und deutete auf Hank, der seine Marke ebenfalls hob, die ihm an einem Band um den Hals baumelte. „Wir haben miteinander telefoniert.“
„Ja, genau, kein Problem“, erwiderte sie und radierte reflexartig die falsche Linie wieder aus. „Alles okay. Ich war nur wieder in meiner kleinen Welt versunken. Wie immer.“ Sie hüpfte vom Stein. „Sie können ruhig Becky sagen.“
„Wie ich bereits am Telefon erwähnt habe, würden wir Ihnen gern einige Fragen über Marie Chang stellen.“
„Ja, genau. Ree“, erwiderte Becky. „Anfangs habe ich wirklich geglaubt, sie hätte keine Lust mehr aufs College.“
„Stand sie unter großem Druck?“
„Wegen ihrer Ausbildung? Keine Ahnung. Kann schon sein. Sie war jedenfalls sehr darauf bedacht, gute Noten zu kriegen. Sie sagte, ein Abschluss würde bei dieser beschissenen Wirtschaftslage nicht mehr reichen. Man müsse sich von der Masse abheben. Sich einen Namen machen, eine Marke kreieren. Sie wollte, dass die Menschen die ‚Marie Chang‘-Marke kennen. Auch wenn sie noch nicht genau wusste, was das eigentlich sein sollte, hat sie ständig darüber gesprochen. Sie sagte immer: ‚Ich muss mich selbst übertreffen, Becky. Mittelmaß ist keine Option.‘“
„Was ist mit Beziehungen?“, wollte Nick wissen.
„Da gab es eigentlich nichts“, antwortete Becky. „Sie war viel mit Gruppen unterwegs, aber hatte nie Zeit – vielmehr hat sie sich nie die Zeit genommen, mit jemandem auszugehen. Sie ging immer nur sehr lange laufen. Sie hat gesagt, nur so könne sie einen klaren Kopf bekommen.“
„Sie sagten, Sie hätten erst geglaubt, sie wäre vom College abgegangen …?“
„Na ja, etwa eine Mikrosekunde lang“, gestand Becky. „Ich dachte, sie hätte vielleicht alles hingeschmissen und wäre zurück nach Seattle gegangen. Aber je länger ich darüber nachdachte … Ich meine, wer geht denn schon laufen und lässt alles zurück? Ihr Geld, ihre Kreditkarten. Das macht doch keiner, oder?“
„Ist sie immer zu einer bestimmten Zeit laufen gegangen?“, erkundigte sich Nick.
„Sie war täglich laufen“, bestätigte Becky, „aber nicht immer zur selben Zeit. Manchmal ging sie joggen, wenn sie eine Pause brauchte. Manchmal wartete sie aber auch damit, bis sie mit allem fertig war.“
„Hat sie mal einen Mann namens Luis Posada erwähnt?“, schaltete sich Hank ein.
„Luis …? Nein, nicht, dass ich wüsste. Moment mal … Was ist denn mit Ree? Ist sie mit diesem Luis durchgebrannt?“
Nick sah zu den
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