Grimm 2: Die Schlachtbank (German Edition)
Ansonsten brauchten sie schon einen Zeugen, der eine der Entführungen mit angesehen hatte, und das war doch sehr unwahrscheinlich.
Im Grunde genommen brauchten sie schlicht und einfach Glück.
Nicks Handy klingelte. Es war Wu.
„Ja, hier ist Burkhardt.“
Damit Hank den Anruf mithören konnte, stellte ihn Nick auf Lautsprecher. Wus metallisch klingende Stimme sagte: „Sie wollten über neue Vermisstenfälle informiert werden. Heute Morgen wurde eine weitere Vermisste gemeldet: Sheila Jenkins, eine zweiunddreißigjährige Immobilienmaklerin. Sie hat letzte Nacht einen Junggesellinnenabschied im
La Porte Bleue
verlassen und ist heute Morgen nicht zur Arbeit erschienen.“
„Hat sie vielleicht nur einen Kater?“, fragte Nick,
„Laut der Schwester der Braut, die die Party organisiert hat, war Sheila nicht lange dort“, berichtete Wu. „Sie ist alleine gegangen und hat gesagt, dass sie heute früh einen Geschäftstermin hätte.“
„Ist schon jemand bei ihr zu Hause gewesen?“
„Als sie nicht an ihr Handy und ihr Festnetztelefon gegangen ist, hat ihr Boss jemanden bei ihr vorbeigeschickt“, sagte Wu. „Es hat keiner die Tür geöffnet, und ihr Wagen ist verschwunden.“
„Haben Sie das Nummernschild?“
„Es ist bereits alles im System“, erwiderte Wu. „Die Streifenpolizisten sind informiert.“
Sheila hatte die Party möglicherweise so früh verlassen, um sich noch mit jemandem zu treffen, bei dem sie auch die Nacht über geblieben war. Das würde die leere Wohnung und ihren verschwundenen Wagen erklären. Aber wieso ging sie dann nicht ans Handy und war nicht zur Arbeit gekommen? Falls sie allerdings woanders weitergefeiert und noch mehr getrunken hatte, bestand die Möglichkeit, dass sie in der Wohnung einer anderen Person das Bewusstsein verloren hatte. Aber Nick hatte das ungute Gefühl, dass ihr Verschwinden in das zugegebenermaßen eingeschränkte Profil der anderen Fälle passte. Beide Personen waren erst Wochen später gefunden worden, daher bestand Nicks Meinung nach durchaus die Möglichkeit, dass Sheila noch am Leben war. Er ließ sich von Wu alle relevanten Adressen und Telefonnummern geben.
Hank stützte sich auf seine Krücken, holte einen Stift und einen Notizblock aus der Tasche und schrieb die Informationen über die Zeugin und Sheila Jenkins Büro auf. Das waren weitere Hinweise, denen sie nachgehen konnten, aber Hank machte dennoch ein resigniertes Gesicht.
Nachdem Nick das Gespräch beendet hatte, sagte Hank: „Ist dir klar, was hier los ist?“
Nick nickte. „Eine weitere zufällige Entführung.“
Auf dem verwahrlosten Grundstück hatte sich früher einmal eine Garnfabrik befunden, die jedoch innen ausgebrannt war. Die Besitzer hatten sie abreißen lassen, um sie wieder aufzubauen, aber das Unternehmen war unterversichert gewesen, und es war aufgrund der schlechten Wirtschaftslage nie zum Wiederaufbau gekommen. Der Bauzaun, den man rings um das Gebäude errichtet hatte, war verfallen und an einigen Stellen bereits eingestürzt. Die Bulldozer und Bagger hatten den Boden aufgewühlt und uneben zurückgelassen, und inzwischen war das ganze Gelände von Unkraut überwuchert. Kurz gesagt: Es war ein Schandfleck.
Doch all das war David Munks und Cody Kuberski völlig egal. Sie hatten vor dem Abendessen noch ein paar Stunden Zeit für sich und fuhren mit ihren Mountainbikes auf das Gelände, nachdem sie sich problemlos durch eine Lücke im Zaun gezwängt hatten. Der wellige Boden war für sie das perfekte Testgelände, um ihre Fahrkünste auf die Probe zu stellen, und sie träumten davon, eines Tages bei den X Games teilzunehmen. Sie trugen zwar Helme, hatten jedoch weder Ellenbogen- noch Knieschützer angelegt.
Cody, der mit seinen fünfzehn Jahren fast ein Jahr älter war als David, machte die Sprünge und Tricks vor, und David versuchte, sie nachzumachen. Allerdings waren die Hügel nicht so hoch und die Löcher nicht so tief, wie sie gehofft hatten. Eigentlich fühlte sich der Boden eher an wie Bodenwellen, die von Schlaglöchern umgeben waren. Bei einem doch etwas größeren Sprung kreischte David auf, weil er sich auf die Zungenspitze gebissen hatte. Cody stellte sich auf die Pedale und deutete auf einen Abschnitt, in dem einige zerbrochene Ziegelsteine zu sehen waren.
Dann wirbelte er herum und fuhr eine Anhöhe hinauf, die zum hinteren Teil des Geländes führte, dem Gebiet, das am weitesten vom „Zu verkaufen“-Schild entfernt war, das in Richtung Straße am
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