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Grimm - Roman

Titel: Grimm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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erfahren. Ich wusste, wo Margo Gold wohnt, und ich ging davon aus, dass du bei ihr lebst. So bin ich nach Hamburg gekommen. Ich mutmaßte, dass dein Vater dir den Schlüssel und seinen Ring schicken würde.«
    Er hatte also gewusst, dass Maxime Gold ein aktives Mitglied der Bohemia gewesen war.
    »Also habe ich dich ausfindig gemacht und bin dir auf Schritt und Tritt gefolgt. Ich musste wissen, wer hinter dir her ist.« Er blieb an der nächsten Gabelung des Weges
stehen. »Außerdem war ich mir lange Zeit nicht sicher, ob du noch du selbst bist. Theoretisch hättest du bereits eine Alraune sein können. Es war eben alles möglich.«
    »Deswegen haben Sie so lange gewartet?«
    »Ja.« Er las die Straßenschilder. Vor ihnen erstreckten sich die Fleete der Speicherstadt. »Da entlang«, wies er den Weg.
    »Sie sind mir bis nach Blankenese gefolgt.«
    »Ich kannte Friedrich Coppelius nicht persönlich, aber ich nahm an, dass er alles Weitere regeln sollte.«
    »Wer war er?«
    »Coppelius?«
    Sie nickte.
    »Ein Mitglied im Ruhestand, könnte man sagen. Eine Art Berater.«
    »Und ich?«, fragte Leander. »Wie passe ich in dieses Spiel?«
    »Du siehst aus wie dein Vater.«
    »Sie haben ihn gekannt?«
    »Nur flüchtig, aber das ist eine andere Geschichte.«
    Davon scheint es viele zu geben, dachte Vesper. Jonathan Andersen scheint ein Mann der vielen geheimnisvollen Geschichten zu sein. Ein Rätselmann eher noch als ein Sandmann.
    »Was tun Sie, wenn Sie keine Mythen jagen?« Leander wirkte jetzt wacher als noch vorhin.
    »Dies und das«, antwortete Andersen. »Ich kann mich nicht beklagen.«
    Tolle Antwort.

    Wenn er nicht zur Bohemia gehörte, fragte sich Vesper, woher hatte er dann den Anhänger mit dem grünen Stein? Schlüssel und Stein. Womöglich hatte er sie einem echten Mitglied abgenommen. Blieb die Frage, ob dies gewaltsam passiert war oder nicht.
    Sie beobachtete ihn.
    Er schien wirklich nett zu sein, sein Lächeln war aufrichtig und offen. Vesper musste sich eingestehen, dass sie ihn mochte.
    Davon abgesehen aber, warf er mehr Fragen auf, als er Antworten lieferte. Er führte irgendetwas im Schilde, und Vesper konnte einfach nicht sagen, was genau dies war. Sie blieb am besten vorsichtig und wartete ab, was passierte. Ja, das war wohl die beste Strategie.
    Dessen eingedenk, beschloss sie, ihn erst einmal nicht weiter nach diesen Dingen zu fragen. Er würde ohnehin nichts sagen, da konnte sie sich die Fragerei getrost sparen.
    Sollte er sich ruhig in dem Glauben wiegen, dass sie ihm vollauf vertraute.
    »Und was passiert jetzt?«, fragte Leander. Er sprang auf der Stelle auf und ab, um vor Kälte nicht zu erfrieren.
    »Das hier ist der Sandtorkai.« Jonathan Andersen schritt voran. »Wir gehen einfach ins Refugium und suchen dort nach Antworten.«
    Na, das klang ziemlich einfach.
    »Sie glauben, dass wir sie dort finden werden?« Vesper blieb skeptisch.
    »Wenn nicht dort, wo dann?«

    Nun denn.
    Alle Hoffnung ruhte also darauf, dass im Refugium alles seine wohlverdiente Auflösung finden würde.
    Vesper schaute sich um.
    Eine Krähe hockte auf einem Laternenmast. Sie erhob sich und flog fort. Das war alles.
    Ansonsten war es einsam und leer in den Straßen.
    Die alte Speicherstadt ist ein Lagerhauskomplex nahe den Landungsbrücken, nicht weit von der Cap San Diego entfernt. »Die meisten dieser Häuser wurden auf Eichenpfählen errichtet«, erklärte Jonathan Andersen. »Früher war das hier alles ein Freihafen. Zollfreies Gebiet.«
    Leander blies kleine Wölkchen vor seinem Gesicht her. »Hat es einen Grund, weshalb die Bohemia hier ein Refugium unterhielt?«
    »Hamburg war schon immer das Tor zur Welt. Man musste die Stadt und den Hafen überwachen. Wenn Mythen den Kontinent verlassen wollten, dann konnten sie das in der alten Zeit nur mit dem Schiff tun.«
    Das leuchtete Vesper ein.
    »Die Refugien waren Kontrollzentren. Dort flossen Informationen zusammen, und von dort aus schwärmten die Einheiten aus, um die Mythen wieder dingfest zu machen, wenn sie auftauchten.«
    »Woher wissen Sie so viel über die Bohemia ?«
    »Du meinst, obwohl ich kein Mitglied bin?«
    »Ja.«
    »Du bist wirklich sehr, sehr misstrauisch.«
    »Ändern Sie was dran«, murmelte sie.

    Dann schwieg sie missmutig.
    Andersen indes ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. »Bleib so neugierig. Das ist gut, wirklich.«
    Leander taumelte auf sie zu und stupste sie freundschaftlich. »Das Schmollen steht dir gut.«
    Vesper rollte mit den

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