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Grimm - Roman

Titel: Grimm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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hören, dann öffnete sich die Tür.
    »Na, das ging ja leicht!«, stellte Leander fest.
    Sie traten ein und standen vor einem Treppenhaus.
    Nichts hier drinnen wirkte auf den ersten Blick außergewöhnlich. Es war ein ganz normales Haus.
    Aus dem kleinen Eingangsflur, in dem ein Tisch mit einem alten Fernsprecher stand, führte eine Treppe nach oben, eine nach unten. Es gab einen Aufzug und eine offen stehende Tür zu einem Büro, gleich neben dem Eingang, ein ehemaliges Empfangsbüro, das jetzt aber völlig verwaist war. Auf einem alten Holztisch stand eine mechanische Schreibmaschine, die bereits Rost angesetzt hatte, daneben lag ein Haufen vergilbtes Papier. Eine Staubschicht lag auf allem, Tisch, Stuhl und Schrank.
    Vesper schloss die Tür hinter sich.
    Blickte nach draußen, um sich zu vergewissern, dass ihnen niemand gefolgt war.

    »Nehmen wir den Aufzug«, schlug Andersen vor. Er drückte einen großen runden Knopf, und das alte Ungetüm polterte von oben heran. Gittertüren öffneten sich lautstark, es roch nach Mottenkugeln, Holz und Staub, Staub, immer wieder nach Staub.
    »Okay, nehmen wir den Aufzug.« Leander und Vesper hatten nichts dagegen einzuwenden.
    Sie schoben die Gittertür noch ein wenig mehr beiseite, traten ein. Die bronzefarbenen Knöpfe zeigten die Stockwerke an, merkwürdigerweise sieben an der Zahl.
    »Nehmen wir die Drei.«
    »Einfach so?«
    Andersen nickte. »Ja, einfach so.«
    Gesagt, getan.
    Der Aufzug beförderte sie nach oben. Die Kabine rumpelte unruhig. Über ihnen lärmte die altersschwache Mechanik alles andere als beruhigend.
    Dann öffnete sich die Tür.
    Und gab den Blick frei auf einen Raum, der sich über mehrere Stockwerke erstreckte.
    Enttäuschung breitete sich auf Vespers Gesicht aus.
    Sie hatte eine moderne Kommandozentrale erwartet, einen geheimen Ort, vollgestopft mit eleganten Computeranlagen und riesigen Bildschirmen. Wirklich nur die modernste Technik. Doch nichts dergleichen erwartete sie.
    »Das ist alles?«, stellte sie fassungslos fest.
    »Sieht so aus«, auch Andersen schien ein wenig enttäuscht zu sein.

    Leander pfiff durch die Zähne. »Willkommen im Museum.«
    Das, dachte Vesper, trifft es ganz gut.
    Eine riesige Landkarte, auf der ganz Europa abgebildet war, beherrschte den Raum. Die Stockwerke waren aufgebrochen worden, und die vier Etagen waren wie offene Plattformen in einem gigantisch großen Raum voller Fenster. Auf allen gab es unendliche Reihen von Bücherregalen, zwischen denen sich Spinnennetze spannten. Alles hier war staubig, alt, seit Jahren ungenutzt. Nichts deutete darauf hin, dass irgendjemand in letzter Zeit hier gearbeitet hatte. Mattes Licht erhellte den riesigen Raum, der trotz der Weite und Tiefe labyrinthisch wirkte.
    Immerhin, es gab zwei Computer. Sie sahen aus, als seien sie gegen Ende der Achtzigerjahre der letzte Schrei gewesen.
    Auf großen Tischen stand eine Fülle von Gerätschaften, die auf seltsame Experimente schließen ließen. Eingetrocknete Flüssigkeiten bedeckten die Böden der Schalen. Wie eine Alchemistenwerkstatt, so sah es zum Teil aus. Zwei Tische aus glänzendem Metall befanden sich auf der zweiten Plattform, steril und kühl. Sie erinnerten Vesper an Obduktionen. Säuberlich aufgereiht standen Instrumente neben den matt glänzenden Tischen: überaus seltsam geformte spitze Zangen und löffelartige Gerätschaften mit Rändern, die wie winzige Zähne aussahen. Ein zylinderförmiges Glas, in dessen Mitte sich eine lange Nadel befand. Große Gläser, in denen Dinge schwammen, von denen Vesper nicht auch nur annähernd wissen wollte, wo sie herkamen oder was sie überhaupt waren.
Sie glichen Organen oder Körperteilen von Wesen, die keine Menschen waren.
    Es gab viele Rohre, die von einem Ende des Raumes zum anderen verliefen, dazu eine ganze Reihe von unförmigen Gerätschaften, die wie kunstvoll zerbeulte Ansammlungen von Schrott wirkten, skurril und verdreht anmutende Systeme aus durchsichtigen Rohren, dürren Drähten und sich fortwährend bewegenden, irgendwie lebendig aussehenden Filtern. Stahlträger wuchsen aus den Wänden wie Fackelhalterungen aus Höhlenwänden.
    Mehrere Wendeltreppen verbanden die Stockwerke, und unten, gleich über einer Sitzgruppe aus hässlich braunen Polstermöbeln, prangte unvermeidlich das Gemälde von Caspar David Friedrich.
    » Das Eismeer. Hier also auch.« Leander setzte sich nachdenklich auf eine der Treppenstufen und starrte die Landkarte an, sonst nichts. Er strich sich die

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