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Grimm - Roman

Titel: Grimm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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schon, welche Kreaturen ihr dort auflauern würden?
    Nein, sie war sich sicher, dass das keine gute Idee gewesen wäre. Außerdem hatte sie genug Klamotten dabei.
    Sie warf einen Blick nach hinten.
    Im Kofferraum lag Edgar, das Äffchen, in einem kleinen Körbchen mit einem Kissen darin und schlief. Um ihn
herum standen drei neue schwarze Reisetaschen, so wie es aussah, prall gefüllt.
    »Wir waren einkaufen«, verkündete Andersen.
    »Shoppen?«
    Leander grinste. »Der Harz ist im Winter eine echt üble Gegend. Falls wir in den Wald müssen, sollten wir ausgerüstet sein.«
    Das leuchtete ihr ein. Zwar hatte sie überhaupt keine Ahnung, was genau die beiden noch eingekauft hatten, aber sie beschloss, ihnen schlichtweg zu vertrauen. Sie wollte sich jetzt nur leise treiben lassen. Das tun, was Edgar gerade tat. Schlafen, ja, einfach nur schlafen.
    Und träumen, ja, vielleicht auch das.
    Die Wärme im Wagen jedenfalls tat gut. Das sanfte Ruckeln des Rovers war einlullend, schon jetzt.
    Vesper starrte müde nach draußen, sah, wie das Haus und die Straße langsam in dem immer dichter werdenden Schneetreiben verschwanden, als seien sie nur einem flüchtigen Traum entsprungen.
    »Ihr habt eben von Neuigkeiten gesprochen.« Sie schaute jetzt nur noch nach vorn.
    Andersen drehte sich zu ihr um. »Die Nachrichten bersten förmlich davon.«
    »Ich habe keine Nachrichten gesehen.«
    »Das erklärt, weshalb du so ruhig bist«, sagte Andersen.
    »Klingt ja vielversprechend.« Sie hatte da ein ganz mieses Gefühl. »Sie sind so aufmunternd.«
    Andersen hielt jetzt direkt auf den Elbtunnel zu. »Es sind knapp drei Stunden bis nach Goslar, zumindest bei
diesem Wetter. Genügend Zeit also, denke ich, um einige Dinge zu klären.«
    Der Wagen raste durch den Tunnel, und hier unten schien die Welt noch ein wenig unwirklicher zu sein. Das künstliche Licht, die anderen Autos, die Enge in der Tiefe.
    Nein, Vesper mochte keine Tunnel. Sie hasste sie. Ihr fiel auf, dass sie vorher nie durch den Elbtunnel gefahren war. Tunnel waren wie tiefe Gräber, nur heller und zivilisierter.
    »Was ist denn nun alles passiert?«, wollte Vesper wissen und sah, wie die Nothaltebuchten vorbeirauschten.
    Es war Leander, der ihr antwortete. »Sie haben sich zu Wort gemeldet.«
    »Wer?«
    »Die Mythen.«
    Vesper wusste nicht recht, wie sie das verstehen sollte. »Wo?«, fragte sie stattdessen.
    »Im Fernsehen.«
    »Und im Radio.«
    Leander sagte ganz aufgeregt: »Es ist die Sensation des Tages. Man findet es wirklich überall. Im Radio, im Internet.« Er hatte wieder diesen verrückten Glanz in den Augen.
    »Was soll das heißen, sie haben sich zu Wort gemeldet ?«
    Endlich war das Ende des Tunnels in Sicht. Vesper atmete erleichtert auf.
    »Heute am späten Nachmittag wurden alle Fernsehprogramme unterbrochen, weil sich eine Art Piratensender eingeschaltet hatte.«

    »Alle Programme?« Piratensender klang irgendwie romantisch.
    »Ja, und zwar in ganz Europa«, sagte Leander.
    Andersen reichte ihr sein schwarzes iPad nach hinten. »Hier, du kannst es dir selbst anschauen.«
    Vesper nahm das iPad. Die Oberfläche war ungewohnt, aber sie kam schnell damit klar. Sie selbst kannte das Gerät nur, weil ihre verachtenswerten Mitschüler in St. Nikolai andauernd damit hatten angeben müssen. Sie selbst liebte ihr uraltes Handy, das ein wenig zu klobig und zu unförmig war, um es als wirklich chic zu bezeichnen. Trotzdem, allem anderen hatte sie sich bisher verweigert. Und telefonieren konnte sie auch mit ihrem kleinen Relikt.
    »Da ist es«, murmelte sie und ließ die Filmdatei abspielen.
    Die Bilder zeigten einen Zoo mit einem Mädchen, das sich um Waschbären kümmerte. Eine Kindersendung, Vesper kannte sie, weil Greta sie liebte. Katrin und die Welt der Tiere. Dann verschwamm das Bild, und alles wurde schwarz wie die Nacht. Ein Mann, dessen schmales Gesicht sich aus dem Dunkel schälte, ließ sie selbst jetzt erschauern. Er trug eine fratzenhafte Maske aus hellem Holz mit einer langen, gekrümmten Nase und grellen Verzierungen.
    »Seine Stimme hat er vermutlich verzerrt«, warnte Leander sie vor. »Und, ehe du fragst, man konnte es in jedem Land in der jeweiligen Landessprache verstehen. Wie auch immer sie das gemacht haben, es hat anscheinend funktioniert.«

    Vesper starrte auf das Bild.
    Selbst hier, auf diesem winzigen Bildschirm, spürte sie die eisig kalte Aura der Gestalt. Sie blickte in die Kamera, mit Augen, so leer wie bloße Augenhöhlen.
    Dann

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