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Grimm - Roman

Titel: Grimm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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antwortete Vesper. Sie nippte an ihrem Kaffee, der kalt war.
    »Ich meine ja nur«, fuhr Julia fort, »weil du uns heute Morgen doch noch gesagt hast, dass du nicht mit uns ins Toshiko kommen kannst, weil du diesen Felix triffst.«

    Vesper seufzte. »Ich habe erwähnt, dass ich eine Verabredung habe.«
    »Natürlich hast du keinen Namen genannt.«
    »Aber, komm schon, wir sind nicht von gestern.«
    Sie lachten beide. Affektiertes Gekicher.
    Im Fernseher lief Nirvana: Smells Like Teen Spirit .
    »Warum seid ihr überhaupt hier?«, fragte Vesper. »Ihr wollt mich doch nur ausspionieren, oder!?«
    Julia reagierte entsetzt. »So was würden wir nie tun.«
    »Wir kamen rein zufällig hier vorbei.«
    Schon klar. »Das Toshiko befindet sich zwei S-Bahn-Stationen weiter.« Im Fackelholz lungerten normalerweise Studenten, Künstler und Theaterleute herum, Rastlose und Nachtschwärmer, die sich durch Kneipen wie diese treiben ließen, um irgendwann in Gespräche verwickelt zu werden, die sie später mit einem guten Gefühl nach Hause gehen ließen.
    »Weißt du, was ich glaube?«, sagte Julia spitz.
    »Nein, was glaubst du denn?«, hakte Saskia nach.
    Vesper verdrehte die Augen und wünschte sich an einen anderen Ort.
    »Ich glaube, ich glaube«, sagte Julia laut vernehmlich, »dass unsere Vesper in Wirklichkeit gar keine Verabredung hat.«
    »Ja, das könnte sein.«
    »Das wäre aber traurig.«
    »Immerhin geht es hier um Felix.«
    Beide fixierten Vesper, die sich nicht regte.
    »Also, ich glaube, dass sie gelogen hat.« Julia wirkte zufrieden.

    »Ja, sie sieht so aus.«
    »Sie sieht fertig aus.«
    »Finde ich auch.«
    Julia fragte gespielt unschuldig: »Sag mal, hast du vielleicht gelogen?«
    »Wäre dämlich von mir, so was zu tun. Wo ihr doch die angesagtesten Ladies der Schule seid. Ich müsste mich doch glücklich schätzen, mit euch um die Blöcke ziehen zu dürfen. Weshalb sollte ich mir da eine Ausrede einfallen lassen.« Ihre Stimme troff nur so vor Sarkasmus, aber sie bezweifelte, dass die anderen beiden auch nur den leisesten Hauch davon zur Kenntnis nahmen.
    »Vesper!«
    Ihre Aufmerksamkeit wurde auf den glatzköpfigen Barkeeper gelenkt. Stefan, der gerade erst die Schicht übernommen haben musste, zwängte sich plötzlich und unverhofft zwischen den beiden Zicken hindurch und sah Vesper mit ernster Miene an. Seine blauen Augen waren wie in Schatten getaucht.
    »Vesper, ich wusste nicht, dass du heute hier bist.«
    Sie kannte Stefan, seit sie das erste Mal im Fackelholz gewesen war. Sie waren schnell ins Gespräch gekommen, und er wusste immer, was sie bestellen wollte, noch bevor sie selbst dies wusste.
    »Ich bin doch fast jeden Abend hier.« Als wüsste er das nicht schon von selbst.
    Trotzdem!
    Er sah recht betreten aus. »Ich weiß, aber heute …« Er beachtete die beiden Mädchen überhaupt nicht und
druckste unbeholfen herum, was normalerweise gar nicht seine Art war.
    Die beiden schwiegen, sahen aber überaus neugierig aus.
    »Du hast keine Nachrichten gesehen?«, hakte Stefan zögerlich nach.
    »Nein.«
    Ein kurzes Schweigen trat ein.
    »Maxime Gold ist doch dein Vater«, stellte er unnötigerweise fest. Sie hatte mit ihm über ihren Vater gesprochen. Stefan arbeitete tagsüber in einer Videothek und liebte Filme über alles. Er war natürlich darüber im Bilde, wer ihr Vater war - und auch, wer ihr Großvater gewesen war.
    Vesper nickte dennoch. Sie fühlte sich auf einmal wie gelähmt.
    »Ja, der berühmte Regisseur«, säuselte Julia und zwinkerte ihrer Freundin zu.
    »Wer kennt ihn nicht.«
    Vesper beachtete sie nicht.
    Ein mehr als nur ungutes Gefühl bemächtigte sich ihrer.
    »Du hast noch nichts davon gehört?«
    Sie wurde unruhig. »Wovon, Stefan, sollte ich gehört haben? Was ist denn los?« Am liebsten wäre sie mit einem Mal aufgesprungen.
    Die anderen beiden merkten, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Begierig darauf, den neuesten Klatsch als Erste zu erfahren, reckten sie die Köpfe nach vorn.

    »Vesper, dein Vater ist tot.« Er trat nahe an den Tisch heran und ergriff ihre Hand. Sie fühlte sich rau an. Sie roch sein süßliches Aftershave und spürte, wie ihr alle Farbe aus dem Gesicht wich.
    Der Raum begann sich zu drehen.
    »Stefan, lass den Scheiß.« Fast war es ein Flehen.
    Bitte, wie kann das sein?
    Unmöglich!
    Nein, bitte, das muss ein Missverständnis sein.
    »Ist kein Scheiß.« Er sah ihr fest und tief in die Augen. »Es kam vorhin in den Nachrichten.«
    Vesper

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