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Grimm - Roman

Titel: Grimm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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spielte Volleyball in der Schulmannschaft, trainierte jeden Tag im Fitnessstudio und liebte es, Bilder von sich selbst mit nacktem Oberkörper ins Internet zu stellen.
    »Dachte ich auch«, stimmte Saskia Moritz in den Gesang mit ein; Saskia, mit dem viel zu dick aufgetragenen Lidschatten und der neuen teuren Armbanduhr von Thomas Sabo , die sie andauernd und wirklich jedem, der sie gar nicht sehen wollte, präsentieren musste.
    Vesper schlug das Buch zu. »Ich dachte, ihr wolltet ins Toshiko gehen.« Das war derzeit der Club, den Mädchen,
die aussahen wie die beiden, normalerweise aufsuchten. Eine glitzernde Schickimickitränke, in der steriler Dancefloor gespielt wurde.
    »Wir haben uns anders entschieden.«
    »Im Toshiko legt heute W. C. Mercurio auf.«
    Vesper sagte jetzt besser nichts. »Mercurio gefällt euch also nicht mehr?« Eigentlich war es keine Frage. Der Kerl war absolut angesagt in den Clubs, die sich damit brüsteten, angesagteste DJ’s zu haben.
    Beide schüttelten die blonden Mähnen, die nur gleich und steril aussahen. Wegen Mädchen wie diesen hasste Vesper ihre Schule. Sie hatte keine Ahnung, warum die beiden hier aufgetaucht waren. Sicherlich führten sie etwas im Schilde. Instinktiv hielt Vesper Ausschau nach versteckten Handykameras. Sie war auf der Hut. Sie wäre bestimmt nicht das erste Opfer, dass sich mit einigen unbedachten Äußerungen und Gesten auf einer Internetplattform wie Facebook wiederfinden würde. Schon früher hatten einige Mitschülerinnen daran glauben müssen und hatten sich, zum Gespött der Schule gemacht, im Internet wiederentdeckt.
    »Was tust du eigentlich hier?« Julias Blick fiel auf das Buch in Vespers Händen.
    »So allein«, ergänzte Saskia.
    Vesper zwang sich zur Ruhe. »Ich lese.« Demonstrativ hielt sie das Buch in die Höhe.
    »Ein Pferdebuch«, säuselte Saskia.
    »Bist du dafür nicht ein wenig zu alt?«
    Blöde Kuh!

    Vesper schwieg. So dumm konnte niemand sein, oder etwa doch?
    »Wartest du nicht auf deine Verabredung?«, wagte Julia einen zweiten Anlauf. »Du wolltest dich doch mit Felix treffen.«
    Oh, verdammt. Jetzt erinnerte Vesper sich. Dieser Schönling aus dem Sportzweig.
    Ein Lügner muss ein gutes Gedächtnis haben, hatte ihr Vater einst gesagt.
    Shit, das hatte sie ganz vergessen.
    Nicht dass sie wirklich eine Verabredung gehabt hätte, sie wollte einfach nur ihre Ruhe haben. Deswegen hatte sie heute in der Schule eine Verabredung mit irgendwem als Entschuldigung benutzt, um nicht mit den anderen beiden durch die Gegend ziehen zu müssen.
    »Es ist ja noch früh«, antwortete sie unbestimmt.
    Julia und Saskia sahen einander mit vielsagenden Blicken an.
    Eigentlich, dachte Vesper, ist alles ganz einfach.
    Julia und Saskia gehörten zu den angesagten Mädchen der Klasse, wenn nicht gar des ganzen Jahrgangs. Sie bestimmten die Trends, die andere in Verzweiflung stürzten. Sie hatten das Geld, die Macht und am Ende auch die Klamotten. Kurz, sie besaßen alles außer Stil. Felix war einer der angesagtesten Jungs aus der S-Klasse, wie sich der Sportzweig der Oberstufe schimpfte, und er war scharf auf Vesper, obwohl Julia ihm seit Monaten nachstellte. Seit zwei Wochen nun schon lud er Vesper ins Kino ein, zum Essen, in die Clubs, rannte ihr hinterher, wann
immer er sie erblickte, und laberte sie zu. Doch Vesper gab ihm einen Korb nach dem anderen, was den Kerl, der, wie alle Sportler, mit einem äußerst gesunden Ego gesegnet war, nicht zu interessieren schien. Folglich brachte die Tatsache, dass Felix scharf auf Vesper war, dieser eine ganze Reihe von Einladungen ein, in deren Genuss sie vorher nie gekommen war. Vesper Gold zu einer privaten Party oder einer abendlichen Tour durch die Clubs und Kneipen einzuladen bedeutete ganz einfach, dass mit großer Wahrscheinlichkeit auch Felix dort auftauchen würde. Eine einfache Strategie, der Vesper sich selbstredend verweigerte.
    »Kann es vielleicht sein, dass du gar keine Verabredung hast?« Julia machte ihr naives Gesicht.
    Oh, diese Schlange! »Kann es sein, dass du dir den Arsch hast aufspritzen lassen?«, stellte Vesper die Gegenfrage. Damit hatte sie eine mögliche Aufnahme fürs Internet unbrauchbar gemacht. Julia würde sich nie die Blöße geben, dies zu veröffentlichen.
    Die beiden Mädchen verstummten und sahen einander pikiert an.
    »Das war nicht nett«, sagte Saskia.
    »Nein, ich habe dich nur etwas gefragt.« Julia spielte die Verletzte, die arme Unschuld in Person.
    »Falsche Frage«,

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