Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
mein Vorteil, dachte es, wenn wir umkehren, hab’ ich ja ein Stück voraus.
Nun kam es an einen Berg, wo auf beiden Seiten des Wegs tiefe Fahrgleise waren. »Da seh einer«, sprach Katherlieschen, »was sie das arme Erdreich zerrissen, geschunden und gedrückt haben! Das wird sein Lebtag nicht wieder heil.« Und aus mitleidigem Herzen nahm es seine Butter und bestrich die Gleise, rechts und links, damit sie von den Rädern nicht so gedrückt würden; und wie es sich bei seiner Barmherzigkeit so bückte, rollte ihm ein Käse aus der Tasche den Berg hinab.
Sprach das Katherlieschen: »Ich habe den Weg schon einmal herauf gemacht, ich gehe nicht wieder hinab, es mag ein anderer hinlaufen und ihn wieder holen.« Also nahm es einen andern Käs und rollte ihn hinab. Die Käse aber kamen nicht wieder, da ließ es noch einen dritten hinablaufen und dachte: Vielleicht warten sie auf Gesellschaft und gehen nicht gern allein. Als sie alle drei ausblieben, sprach es: »Ich weiß nicht, was das vorstellen soll! Doch kann’s ja sein, der dritte hat den Weg nicht gefunden und sich verirrt, ich will nur den vierten schicken, daß er sie herbeiruft.«
Der vierte machte es aber nicht besser als der dritte. Da ward das Katherlieschen ärgerlich und warf noch den fünften und sechsten hinab, und das waren die letzten. Eine Zeitlang blieb es stehen und lauerte, daß sie kämen, als sie aber immer nicht kamen, sprach es: »O ihr seid gut nach dem Tod schicken, ihr bleibt fein lange aus; meint ihr, ich wollte noch länger auf euch warten? Ich gehe meiner Wege, ihr könnt mir nachlaufen, ihr habt jüngere Beine als ich.« Katherlieschen ging fort und fand den Frieder, der war stehengeblieben und hatte gewartet, weil er gerne was essen wollte
»Nun, gib einmal her, was du mitgenommen hast.« Sie reichte ihm das trockne Brot. »Wo ist Butter und Käse?«, fragte der Mann. »Ach, Friederchen«, sagte Katherlieschen, »mit der Butter hab ich die Fahrgleise geschmiert, und die Käse werden bald kommen; einer lief mir fort, da hab ich die andern nachgeschickt, sie sollten ihn rufen.« Sprach der Frieder: »Das hättest du nicht tun sollen, Katherlieschen, die Butter an den Weg schmieren und die Käse hinabrollen.« – »Ja, Friederchen, hättest mir’s sagen müssen.«
Da aßen sie das trockene Brot zusammen, und der Frieder sagte: »Katherlieschen, hast du auch unser Haus verwahrt, wie du fortgegangen bist?« – »Nein, Friederchen, hättest mir’s vorher sagen sollen.« – »So geh wieder heim und bewahr erst das Haus, ehe wir weitergehen; bring auch etwas anderes zu essen mit, ich will hier auf dich warten.«
Katherlieschen ging zurück und dachte: Friederchen will etwas anderes essen, Butter und Käse schmeckt ihm wohl nicht, so will ich ein Tuch voll Hutzeln und einen Krug Essig zum Trunk mitnehmen. Danach riegelte es die Obertüre zu, aber die Untertüre hob es aus, nahm sie auf die Schulter und glaubte, wenn es die Türe in Sicherheit gebracht hätte, müßte das Haus wohl bewahrt sein. Katherlieschen nahm sich Zeit zum Weg und dachte: Desto länger ruht sich Friederchen aus.
Als es ihn wieder erreicht hatte, sprach es: »Da, Friederchen, hast du die Haustüre, da kannst du das Haus selber verwahren.« – »Ach, Gott«, sprach er, »was habe ich für eine kluge Frau! Hebt die Türen unten aus, daß alles hineinlaufen kann, und riegelt sie oben zu. Jetzt ist’s zu spät, noch einmal nach Haus zu gehen; aber du hast die Tür hierher gebracht, so sollst du sie auch ferner tragen.« – »Die Tür will ich tragen, Friederchen, aber die Hutzeln und der Essigkrug werden mir zu schwer: ich hänge sie an die Türe, die mag sie tragen.«
Nun gingen sie in den Wald und suchten die Spitzbuben, aber sie fanden sie nicht. Weil’s endlich dunkel ward, stiegen sie auf einen Baum und wollten da übernachten. Kaum aber saßen sie oben, so kamen die Kerle daher, die forttragen, was nicht mitgehen will, und die Dinge finden, ehe sie verloren sind. Sie ließen sich gerade unter dem Baum nieder, auf dem Frieder und Katherlieschen saßen, machten sich ein Feuer an und wollten ihre Beute teilen.
Der Frieder stieg von der andern Seite herab und sammelte Steine, stieg damit wieder hinauf und wollte die Diebe totwerfen. Die Steine aber trafen nicht, und die Spitzbuben riefen: »Es ist bald Morgen, der Wind schüttelt die Tannäpfel herunter.« Katherlieschen hatte die Türe noch immer auf der Schulter, und weil
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