Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
und wusste schon was geschehen war. »Du hast ein Haar in den Brunnen fallen lassen«, sagte er, »ich will es dir noch einmal nachsehen, aber wenns zum drittenmal geschieht, so ist der Brunnen entehrt, und du kannst nicht länger bei mir bleiben.«
Am dritten Tag saß der Knabe am Brunnen, und bewegte den Finger nicht, wenn er ihm noch so weh tat. Aber die Zeit ward ihm lang, und er betrachtete sein Angesicht, das auf dem Wasserspiegel stand. Und als er sich dabei immer mehr beugte, und sich recht in die Augen sehen wollte, so fielen ihm seine langen Haare von den Schultern herab in das Wasser. Er richtete sich schnell in die Höhe, aber das ganze Haupthaar war schon vergoldet und glänzte wie eine Sonne. Ihr könnt denken wie der arme Knabe erschrack. Er nahm sein Taschentuch und band es um den Kopf, damit es der Mann nicht sehen sollte. Als er kam, wusste er schon alles und sprach: »binde das Tuch auf.«
Da quollen die goldenen Haare hervor und der Knabe mochte sich entschuldigen, wie er wollte, es half ihm nichts. »Du hast die Probe nicht bestanden und kannst nicht länger hier bleiben. Geh hinaus in die Welt, da wirst du erfahren, wie die Armut tut. Aber weil du kein böses Herz hast und ichs gut mit dir meine, so will ich dir eins erlauben: wenn du in Not gerätst, so geh zu dem Wald und rufe meinen Namen, dann will ich herauskommen und dir helfen. Meine Macht ist groß und Gold und Silber habe ich im Überfluß.«
Da verließ der Königssohn den Wald und ging über gebahnte und ungebahnte Wege immer zu, bis er zuletzt in eine große Stadt kam. Er suchte da Arbeit, aber er konnte keine finden und hatte auch nichts erlernt, womit er sich hätte forthelfen können. Endlich ging er in das Schloss und fragte ob sie ihn behalten wollten. Die Hofleute wussten nicht wozu sie ihn brauchen sollten, aber sie hatten Wohlgefallen an ihm und hießen ihn bleiben. Zuletzt nahm ihn der Koch in Dienst, und sagte er könnte Holz und Wasser tragen und die Asche zusammen kehren. Einmal, weil gerade kein anderer zur Hand war, sollte er die Speisen zur königlichen Tafel tragen, er wollte aber seine goldenen Haare nicht sehen lassen und behielt sein Hütchen auf. Da sprach der König »wenn du zur königlichen Tafel kommst, musst du deinen Hut abziehen.«
»Ach Herr«, antwortete er, »ich kann nicht, ich habe einen bösen Grind auf dem Kopf.«
Da ließ der König den Koch herbei rufen, schalt ihn und fragte wie er einen solchen Jungen hätte in seinen Dienst nehmen können; er sollte ihn gleich fortjagen. Der Koch aber hatte Mitleiden mit ihm und vertauschte ihn mit dem Gärtnerjungen.
Nun musste der Junge im Garten pflanzen und begießen, hacken und graben, und Wind und böses Wetter über sich ergehen lassen. Einmal im Sommer als er allein im Garten arbeitete, war der Tag so heiß daß er sein Hütchen abnahm und die Luft ihn kühlen sollte. Wie die Sonne auf das Haar schien, glitzte und blitzte es daß die Strahlen in das Schlafzimmer der Königstochter fielen, und sie aufsprang um zu sehen was das wäre. Da erblickte sie den Jungen und rief ihn an »Junge, bring mir einen Blumenstrauß.«
Er setzte in aller Eile sein Hütchen auf, brach wilde Feldblumen ab und band sie zusammen. Als er damit die Treppe hinauf stieg, begegnete ihm der Gärtner und sprach: »wie kannst du der Königstochter einen Strauß von schlechten Blumen bringen? Geschwind hole andere, und suche die schönsten und seltensten aus.«
»Ach nein«, antwortete der Junge, »die wilden riechen kräftiger und werden ihr besser gefallen.«
Als er in ihr Zimmer kam, sprach die Königstochter »nimm dein Hütchen ab, es ziemt sich nicht daß du ihn vor mir auf behältst.«
Er antwortete wieder »ich darf nicht, ich habe einen grindigen Kopf.«
Sie griff aber nach dem Hütchen und zog es ab, da rollten seine goldenen Haare auf die Schultern herab, das es prächtig anzusehen war. Er wollte fortspringen, aber sie hielt ihn am Arm und gab ihm eine Hand voll Dukaten. Er ging damit fort, achtete aber des Goldes nicht, sondern er brachte es dem Gärtner und sprach: »ich schenke es deinen Kindern, die können damit spielen.«
Den andern Tag rief ihm die Königstochter abermals zu er sollte ihr einen Strauß Feldblumen bringen, und als er damit eintrat, grapste sie gleich nach seinem Hütchen und wollte es ihm wegnehmen, aber er hielt es mit beiden Händen fest. Sie gab ihm wieder eine Hand voll Dukaten, aber er
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