Grimms Märchen, Vollständig überarbeitete und illustrierte Ausgabe speziell für digitale Lesegeräte (German Edition)
mit mir.«
Da zürnte der liebe Gott über die Mutter und Tochter, wendete ihnen den Rücken zu und verwünschte sie, daß sie sollten schwarz werden wie die Nacht und häßlich wie die Sünde. Der armen Stieftochter aber war Gott gnädig und ging mit ihr, und als sie nahe am Dorf waren, sprach er einen Segen über sie und sagte: »Wähle dir drei Sachen aus, die will ich dir gewähren.«
Da sprach das Mädchen: »Ich möchte gern so schön und rein werden wie die Sonne«; alsbald war sie weiß und schön wie der Tag. »Dann möchte ich einen Geldbeutel haben, der nie leer würde«; den gab ihr der liebe Gott auch, sprach aber: »Vergiß das Beste nicht.«
Sagte sie: »Ich wünsche mir zum dritten das ewige Himmelreich nach meinem Tode.«
Das ward ihr auch gewährt, und also schied der liebe Gott von ihr.
Als die Stiefmutter mit ihrer Tochter nach Hause kam und sah, daß sie beide kohlschwarz und häßlich waren, die Stieftochter aber weiß und schön, so stieg die Bosheit in ihrem Herzen noch höher, und sie hatte nichts anderes im Sinn, als wie sie ihr ein Leid antun könnte. Die Stieftochter aber hatte einen Bruder namens Reginer, den liebte sie sehr und erzählte ihm alles, was geschehen war. Nun sprach Reginer einmal zu ihr: »Liebe Schwester, ich will dich abmalen, damit ich dich beständig vor Augen sehe; denn meine Liebe zu dir ist so groß, daß ich dich immer anblicken möchte.«
Da antwortete sie: »Aber ich bitte dich, laß niemand das Bild sehen.«
Er malte nun seine Schwester ab und hing das Bild in seiner Stube auf; er wohnte aber in des Königs Schloß, weil er bei ihm Kutscher war. Alle Tage blieb er davor stehen und dankte Gott für das Glück seiner lieben Schwester. Nun war aber gerade dem König, bei dem er diente, seine Gemahlin verstorben, und die war so schön gewesen, daß man keine finden konnte, die ihr gliche, und der König war darüber in tiefer Trauer. Die Hofdiener bemerkten aber, daß der Kutscher täglich vor dem schönen Bilde stand, mißgönnten’s ihm und meldeten es dem König.
Da ließ dieser das Bild vor sich bringen, und als er sah, daß es in allem seiner verstorbenen Frau glich, nur noch schöner war, so verliebte er sich sterblich hinein. Er ließ den Kutscher vor sich kommen und fragte, wen das Bild vorstelle. Der Kutscher sagte, es wäre seine Schwester; so entschloß sich der König, keine andere als diese zur Gemahlin zu nehmen, gab ihm Wagen und Pferde und prächtige Goldkleider und schickte ihn fort, seine erwählte Braut abzuholen. Wie Reginer mit der Botschaft ankam, freute sich seine Schwester, allein die Schwarze war eifersüchtig über das Glück, ärgerte sich über alle Maßen und sprach zu ihrer Mutter: »Was helfen nun all Eure Künste, da Ihr mir ein solches Glück doch nicht verschaffen könnt.« – »Sei still«, sagte die Alte, »ich will dir’s schon zuwenden.«
Und durch ihre Hexenkünste trübte sie dem Kutscher die Augen, daß er halb blind war, und der Weißen verstopfte sie die Ohren, daß sie halb taub war. Darauf stiegen sie in den Wagen, erst die Braut in den herrlichen königlichen Kleidern, dann die Stiefmutter mit ihrer Tochter, und Reginer saß auf dem Bock, um zu fahren. Wie sie eine Weile unterwegs waren, rief der Kutscher:
»Deck dich zu, mein Schwesterlein,
Daß der Regen dich nicht näßt,
Daß Wind dich nicht bestäubt,
Daß du fein schön zum König kommst!«
Die Braut fragte: »Was sagt mein lieber Bruder?« – »Ach«, sprach die Alte, »er hat gesagt, du solltest dein golden Kleid ausziehen und es deiner Schwester geben.«
Da zog sie’s aus und tat’s der Schwarzen an, die gab ihr dafür einen schlechten grauen Kittel. So fuhren sie weiter; über ein Weilchen rief der Bruder abermals:
»Deck dich zu, mein Schwesterlein,
Daß der Regen dich nicht näßt,
Daß Wind dich nicht bestäubt,
Daß du fein schön zum König kommst!«
Die Braut fragte: »Was sagt mein lieber Bruder?« – »Ach«, sprach die Alte, »er hat gesagt, du solltest deine goldene Haube abtun und deiner Schwester geben.«
Da tat sie die Haube ab und tat sie der Schwarzen auf und saß im bloßen Haar. So fuhren sie weiter; wiederum über ein Weilchen rief der Bruder:
»Deck dich zu, mein Schwesterlein,
Daß der Regen dich nicht näßt,
Daß Wind dich nicht bestäubt,
Daß du fein schön zum König kommst!«
Die Braut fragte: »Was sagt mein lieber Bruder?« – »Ach«, sprach die
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